Japanische Kampfhörspiele - Verk Ferever

Review

Ist ja nicht so, als gäbe es heuer nicht ausreichend Themen für einen zünftigen Nackenschlag mit sozialkritischem Biss – JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE können davon mehr als nur ein Liedchen singen. Die Gesellschaft demontiert sich selbst in einem Tempo, dass man den Nachrichten gegenüber allein angesichts des Überflusses an solchen Meldungen als gänzlich im Leben eingespannter Bürger mit privaten, beruflichen und/oder anderweitig gesellschaftsgebundenen Verantwortlichkeiten nur noch mit Apathie reagieren kann, wenn man nicht verrückt werden oder – Gott/Satan bewahre! – sich jeden emotionalen Koffer der Welt aufladen möchte.

„Verk Ferever“ kommt mit Zorn und Groove

Eine Kerbe, in welche die Krefelder Querulanten seit jeher mit grimmigen Gebrüll, wütender Wonne und grindigem Punk hinein schlagen, mal mit mehr, mal mit weniger Nachdruck. 2019 jedoch haben die Jungs wieder ein gutes Jahr erwischt. JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE servieren nun „Verk Ferever“, den markig groovenden Soundtrack zum redensartlichen Im-Viereck-Springen, wenn man sich mal wieder über die abgestumpfte, (an-)teilnahmnslose Gesellschaft aufregt. Und wenn die Grooves so straff und knackig ins Gebein fahren, macht das sich Echauffieren gleich doppelt Spaß.

Die Herren fahren charakteristisch ein recht straffes Programm – 15 Songs in knapp 33 Minuten, alles aber ohne Skit-Hülsen. Das ist durchaus sportlich bemessen, sodass keine Zeit für unnötiges Geschwurbel bleibt. Die Entscheidung ergibt hier besonders Sinn, denn das traditionelle Songwriting rückt in den Hintergrund für knappere, zweckdienliche Stücke, die mehr wie musikalische Stützen der Lyrics wirken. Und gerade in kleine, knackige und wütende Portionen unterteilt schmecken die bitteren Pillen, welche die Krefelder aus ihrem Blister drücken, gleich viel besser. Aber nicht nur das, auch eine Reihe von zum Teil erfrischenden Geschmacksrichtungen wurden mit reingepackt.

Geklapper und Gequake bei JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE?!?

Der einleitende „Sozialisationsschaden“ zum Beispiel hätte abzüglich des laut Pressetext Spotify-feindlichen Text-To-Speech-Voiceovers auch als instrumentales Intro einer Black-Metal-Platte vorangeschaltet werden können, denn die Arpeggios erzeugen schon eine düstere Stimmung. Nicht, dass „Verk Ferever“ das mit Ausgelassenheit kontert, aber was dem folgt, ist nun mal kein atmosphärischer Satansbraten, sondern der Knüppel, der wiederholt auf den Kopf des Hörers rasselt. Und mit dem folgenden „Hedonistic Pflichtgefühl“ machen sich die knackigen Grooves bemerkbar, die sich durch das Album ziehen und im Gegensatz zu „The Golden Anthropocene“ auch richtig straff gezogen worden sind.

Dazu wurde den ohnehin schon treibenden Songs noch ordentlich Perkussion beigefügt, welche den Drive noch weiter verstärken und das Album an manchen Stellen, „Aufgegeben“ oder „Im Feierabendverkehr“ zum Beispiel, fast so klingen lässt, als hätten sich JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE mal eben kurz die Intensität von gewissen, maskierten Herren aus Iowa ausgeborgt (und nicht rechtzeitig zurückgegeben). Ebenfalls interessant wie gelungen sind die Gastbeiträge der Bläsersektion aus dem Hause OTTONE PESANTE, die sich in einigen Songs einen abhupen. Sie verwandeln „Kapitalismuswohlstandsfortschritt“ zum Beispiel in eine Art Ska-Punker, während sie dem tranigen Titeltrack durch die pointierten Einsätze umso mehr bedeutende Schwere verleihen.

Härte fürs Köpfchen

Songschreiberisch wurde natürlich durchweg an die Verbraucherfreundlichkeit gedacht, vor allem was den metallisch-grindigen Anteil der Mixtur angeht. Quirlige Uptempo-Biester wie „Hedonistic Pflichtgefühl“ oder „Keinen Bock mehr“ geben sich mit schwereren Stampfern der Marke „Es klebt“ oder „Kaputt“ die Klinke in die Hand und sorgen so für reichlich Abwechslung. Melodien kommen gezielt platziert daher, allerdings injizieren die Krefelder ihrem Sound hier Nichts, was dem Geschimpfe und Gekeife zu sehr in die Quere kommen würde. Lediglich in den Instrumentalparts, etwa bei „Biohack“, treten sie etwas mehr in den Vordergrund.

Im Mittelpunkt stehen aber letzten Endes die Texte, die fast wie zeitgenössische Lyrik-Fragmente daherkommen und die man in einen modern groovenden, hart zuschlagenden Sound gekleidet hat, ohne sie in klobige Strophe-Refrain-Korsetts hinein zu zwängen. Klassische Hooks sucht man daher auf „Verk Ferever“ eher vergeblich, dafür bietet das Album für Lyrik-Nerds neben aller Sozialkritik auch erfrischende Wortakrobatik inklusive obligatorischer Doppeldeutigkeiten oder geschickt eingefädelter Parallelismen und Wiederholungen, sodass man JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE auch so an den Lippen hängt.

„Danke Merkel“

Manchmal kann man eben froh sein, dass die Welt und die hier lebende Gesellschaft so scheiße sind. Denn sie liefern zwar viel Leid und erzeugen Unmut, aber sie bieten auch wunderbaren Zündstoff für Bands wie diese hier. Zum Teil erstaunlich subtile, gesellschaftskritische Satzfetzen werden dem Hörer eher weniger subtil, dafür stilsicher mit dem Brecheisen verabreicht. Die Grooves lassen das Ganze so richtig schön ins Blut fahren und Perkussion und Bläser würzen den Sound an den richtigen Stellen gewinnbringend, sodass „Verk Ferever“ eine wunderbar kurzweilige Angelegenheit geworden ist.

Oder, um den Song „Im Feierabendverkehr“ zu zitieren: „Danke Merkel, du Arschloch“.

29.08.2019

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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