James LaBrie - Elements Of Persuasion

Review

Kollege JAMES LABRIE hat unter DREAM-THEATER-Fans schon immer irgendwie polarisiert. Auf Balladen passt er mit seiner souligen Stimme wie die Faust aufs Auge, High Speed Parts kriegt er mit Eunuchenscreams auch noch gut hin, doch im mittleren Kopfstimmenbereich wirkt er zwar angenehm, aber kaum kraftvoll. Und ohne das Fazit vorwegnehmen zu wollen: Genau hier schwächelt sein drittes Soloalbum.
Sein drittes? Nicht sein erstes? Irgendwie schon, irgendwie aber auch nicht. Soloalbum Nummer 1 und 2 wurden mit der selben Mannschaft unter dem Namen MULLMUZZLER veröffentlicht und haben bereits einige Jahre auf dem Buckel, lassen sich aber genauso wie „Elements Of Persuasion“ gut in den DREAM-THEATER-Kontext einfügen. Will sagen: Man nehme die aktuelle DT Scheibe, verpacke das ganze in einen 4/4 Takt, lasse die Instrumentalparts größtenteils raus und fertig ist das grobe Grundkonzept von JAMES LABRIEs Solotour.
Was neu hinzugekommen ist, sind kleine Elektronik- und Scratchspielchen, die zwar etwas an LINKIN PARK erinnern („Alone“), aber voll und ganz überzeugen können. So ganz stagnativ geht es also doch nicht zu.

Dementsprechend haben wir also ein kraftvoll produziertes Scheibchen aus einer vollbeladenen Kelle 4/4 Takt Thrash, 3 DREAM-THEATER-Balladen und diversen LINKIN-PARK-ohne-Hiphop Anleihen.
Zu meckern gibt es kompositorisch wenig, der Opener „Crucify“ kloppt angenehm aus den Boxen, „Pretender“ feuert treibend nach vorne und „Oblivious“ groovt wie Sau – alles andere liegt dazwischen (oder kombiniert alles zusammen: „In too Deep“). Träge Midtempostampfer sind kaum zu erwarten, das Schlagzeug bedient sich aktuellen amerikanischen Grundsätzen und trommelt selbst die sämigeren Riffs kraftvoll auf die Überholspur. Glücklicherweise verkommen auch die pianogetragenen Balladen nicht zu Kaugummiproduktionen, sondern laden energisch zum Fußwippen ein. Besonders das relativ kurze (3einhalb minütige) „Lost“ kann dank seiner experimentiven Ader auf ganzer Linie überraschen und begeistert mit Ohrwurmrefrain und filigranen Bluesspielereien auf 140 bpm – sowas würde selbst ein DREAM-THEATER-Album noch um einige Facetten bereichern.

Generell zeigt JAMES LABRIE hier, dass er kompositorisch seiner Hauptband wenig nachsteht (vom technischen Anspruch mal abgesehen) und sich auch alleine behaupten kann. Aber hier kommt die Einleitung wieder zum tragen: Seiner Stimme fehlt einfach die Brachialität um dem teils wilden Thrashgestampfe das nötige Feuer geben zu können. Dieses Gefühl vergeht zwar nach einiger Einarbeitungszeit, sticht jedoch immer noch als letzter Dorn im Auge einer guten Scheibe. Überraschenderweise zeigt er an einigen Stellen jedoch auch dass es anders geht und treibt sich packend in tieferen Tonlagen rum. Warum also nicht auf Albumlänge? Kaufempfehlung mit Abstrichen…

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16.04.2005

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