Ivenberg - Wunden
Review
Aus diesen „Wunden“ fließt kein Blut – schon gar nicht „literweise stockdunkles Herzblut„, wie das Trollzorn’sche Info-Schreiben dem geneigten Rezensenten weismachen möchte. Die „Wunden“ IVENBERGs sind nämlich in etwa so authentisch wie die Löcher in „worn out“ Jeans – es ist also zu bezweifeln, ob überhaupt etwas aus den „Wunden“ des bayerischen Vierers tropft.
Dabei sind die zwölf Songs des dritten Albums und Trollzorn-Einstandes prinzipiell nicht einmal besonders schlecht. Geboten wird melodischer Black Metal, der reichlich Thrash- und ein bisschen Death-Schlagseite hat. Dem Gebräu mangelt es nicht an Abwechslung, Eingängigkeit ist dennoch reichlich vorhanden.
Das reicht nun nicht, um das „Metier-Fundament heftig erzittern“ zu lassen, und auch von „vollauf erfolgreichem Trachten der bissigen Grollgruppe nach signifikanter musikalischer Identität“ möchte ich keineswegs sprechen [in demselben Satz kommt auch die Formulierung „ergötzlich kerniger Höllendreher“ vor – dahinter kann doch nur Markus Eck stecken…]; doch zumindest handwerklich gibt es an den knapp fünfzig Minuten nicht allzu viel auszusetzen.
Das war’s aber auch schon an positiven Aspekten, die ich an „Wunden“ finde. „Was heißt hier ’schon‘?“ höre ich bereits die erbosten Kommentare; ein musikalisch rundes (oder zumindest nicht auffällig schlechtes) Album sei schließlich allein schon acht Punkte Wert! So Leid es mir tut [ganz ehrlich: gar nicht], bei mir reicht das nicht für eine Wertung im oberen Bereich.
Was fehlt also? Seele. Charakter. Authentizität.
Das fängt bereits bei der Produktion an, deren auffälligstes Merkmal der bis zum Anschlag aufgedrehte Kompressor ist. Dadurch gewinnt der Klang (der mich im Gesamtbild an TOTENMONDs „Reich in Rost“ erinnert) zwar reichlich Druck, verliert aber auch sämtliche Ecken und Kanten. Dazu kommen das für Kompressions-Overkill typische ziemlich nervige Dröhnen im unteren Frequenzbereich, vollkommen unnatürlich klingende Toms und eine Doublebass, bei der ich im Song „Menschheitsalptraum“ bisher nicht herausgefunden habe, ob sie triolisch ist oder nicht.
Doch auch textlich finde ich nicht viel, das mich überzeugen könnte. Ich gebe zu, meine Ansprüche an deutsche Songtexte sind ganz schön hoch – IVENBERG aber scheitern mit Leichtigkeit daran. Zum Teil greift man einfach daneben (wieder „Menschheitsalptraum“: „Die Luft gefüllt mit faulem Fleisch“), mal wird ein wenig bei den Simpsons („du mieser kleiner … Parasit“) oder Rammstein („…vor Geilheit zuckend„) abgekupfert, und vor allem finden sich reichlich Kraftausdrücke.
Nicht dass die einen großartigen Einfluss auf das inhaltliche Niveau hätten. Von persönlichen Hasstiraden („Parasit“ – gibt es eigentlich eine Vorschrift, nach der Coburger Bands dazu verpflichtet sind?) über Trennungsschmerz („Kalter Engel“ – wie der Text genau gemeint ist, weiß ich aber nicht…) und Untergangsszenarien („Menschheitsalptraum“) geht es zum mehr oder weniger aktuellen Thema Amoklauf („Traurige neue Welt“), das ungefähr auf BILD-Niveau behandelt wird, um im Anschluss in „Es geht weiter“ einen durchaus fragwürdigen moralischen Zeigefinger zu heben. Kurzum: IVENBERG reden ganz schön viel – ob sie aber wirklich etwas zu sagen haben? Ich bezweifle das.
Zusammenfassend ist „Wunden“ ein musikalisch durchaus erträgliches, wenn auch kein besonders spannendes Album, das in erster Linie durch Abwesenheit jeglicher Seele glänzt. Aber was bleibt noch von extremem Metal, wenn der Charakter fehlt?
Ivenberg - Wunden
Band | |
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Wertung | |
User-Wertung | |
Stile | Melodic Black Metal, Pagan Metal |
Anzahl Songs | 12 |
Spieldauer | 47:58 |
Release | |
Label | Trollzorn Records |
Trackliste | 01 Wunden 02 Parasit 03 Kalter Engel 04 Mein Traum 05 Der Anfang 06 Amen 07 Liebliche Stille 08 Menschheitsalptraum 09 Traurige neue Welt 10 Es geht weiter 11 Auch sie werden sterben 12 Bis in den Tod |