Unsere Welt geht den Bach runter und ISOLE singen ein Lied davon – vielmehr sieben Lieder, die sie auf ihrem achten Studioalbum „Anesidora“ zu Gehör bringen. Der Albumtitel bedeutet in etwa „Senderin von Gaben“ und ist ein Beiname der legendären Pandora. Deren berüchtigte Box ist den Schweden zufolge schon viel zu lange ohne den behütenden Deckel und sie sähen sie gern wieder verschlossen.
ISOLE hadern mit sich und der Menschheit
Thematisch wirft „Anesidora“ einmal mehr einen kritischen Blick auf unser dem Untergang geweihte Dasein – ein Abgrund, auf den wir mit glühender Vehemenz und sehenden Auges zurennen. Eine Mischung aus Resignation, Schuldgefühlen und einem letzten Funken Hoffnung, dass doch noch alles anders kommt, schwingt in Wort und Ton mit. So weit, so Doom.
Musikalisch ist es ein „Lamentieren“ auf gewohnt hohem Niveau. Immerhin widmen sich ISOLE der Weltschmerz-Vertonung, ihre Ursprünge als FORLORN mit eingerechnet, seit mehr als dreißig Jahren und feilen stetig an ihrem Portfolio.
Der Einstieg über den Opener „The Songs Of The Whales“ ist niedrigschwellig. Sofern man im Doom-Sektor überhaupt von Leichtigkeit sprechen darf, trifft es hier zu. Das energiegeladene Stück besticht durch seine eingängige Melodie und Daniel Bryntses exzellenten Gesang.
„Forgive Me“ hingegen bietet (abgesehen von seiner Kürze) ein eher klassisches Klangbild, das dem vertrauten Melancholie-versus-Härte-Schema mit seicht-progressiver Note folgt.
Etwas avantgardistischer gehen die Schweden bei „Monotonic Scream“ zu Werke. Moog-Orgel-ähnliche Sounds verleihen dem Titel einen „Proggie-70ies“-Touch. Das dies durchaus mit traditioneller ISOLE-Epik zusammengeht, beweist insbesondere die zweite Songhälfte samt kurzem Growl-Intermezzo von Basser Jimmy Mattsson.
Im Anschluss spielt das Quartett „Twisted Games“, ein Spiel, in dessen Verlauf sich alle drei Sänger der Band in ihrer jeweils charakteristischen Weise zu Wort melden. Tatsächlich bietet der Track einen dramaturgischen Twist und geht in einem intensiven finalen Chorus auf.
„In Abundance“ bekundet wieder eine stärkere Death-Doom-Attitüde mit deftigeren Gitarrenpassagen und Growls als Gegenpart zu Daniels Gesang. Doch erst zusammen mit dem memorablen Gänsehaut-Refrain wächst die Nummer zu einem wahren Album-Highlight.
Auch „Open Your Mind“ wartet mit großer Dramatik und ergreifender Melodie auf. Allerdings kommt der unverblümt-profane „Gutmenschen-Text“ unerwartet. Waren ISOLES Botschaften bislang zumeist in metaphorische Watte gepackt und mit hübschem Pathos-Schleifenband umwickelt, werden ihre Worte zunehmend klarer, wie unter Anderem dieser „Wachrüttel-Song“ zeigt.
„Vanity“ ist ein bleischweres und finsteres Albumfinale, das mit seiner sakralen Stimmung der bitter-ernsten Thematik von „Anesidora“ angemessen Rechnung trägt.
„Anesidora“ schenkt lauschig-doomigen Seelenfrieden
Alle Stücke eint, dass sie nach niemand anderem klingen als nach ISOLE. „Anesidora“ gibt vornehmlich den facettenreichen, atmosphärischen Soundlandschaften Raum. Es gibt kaum radikale Ausbrüche und die Death-Growls sind spärlich gesät. Daniel Bryntse überzeugt dagegen erneut mit seinem charismatischen Klargesang einschließlich kreativem „Word-Stretching“ und rollendem „R“. Schlagwerker Victor Parri sorgt mit kraftvollem, akzentuiertem Drumming gekonnt für die notwendige Dynamik. Und was wären die heutigen ISOLE nur ohne Crister Olssons verspielte Gitarrensoli und markante Gesangsparts?
Dass sich die Büchse der Pandora wieder schließen lässt und die Welt noch zu retten ist, mag eine stille Hoffnung bleiben. Sehr wahrscheinlich ist dagegen, dass „Anesidora“, dem der zuhört, großen Hörgenuss und nebenher eine Portion Seelenfrieden beschert.
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