Iron Lamb - Blue Haze

Review

Eine ganze Generation (west-)deutscher Menschen musste während der eigenen Jugend davon ausgehen, dass Birnes Vorname nicht „Helmut“ war, sondern „Bundeskanzler“. Die Begriffe gehörten zusammen, in Konjunktur wie Rezession.
Ungefähr zur selben Zeit bekam auch das IRON sein MAIDEN – und das hat sich im Gegensatz zur Ära des schwarzen Riesen nicht als Wimpernschlag im Lauf der Erdgeschichte herausgestellt, sondern als epochale Beziehung – geschmiedet für die Ewigkeit und im Namen der menschlichen Kultur als solcher. Ergo: IRON … äh … LAMB (?!) sind schon einmal abgesehen von ihrer Musik eine Frechheit.

Doch IRON LAMB zeigen Charakter

Doch Obacht! Als Interessen geben die dreisten Schweden offiziell „piss, drugs and laughter“ an. Gänzlich irrelevant können IRON LAMB also doch nicht sein. Und tatsächlich ist deren drittes Werk „Blue Haze“ auch eine unterhaltsame Angelegenheit, die wie gehabt mit MAIDEN über den Vornamen hinaus nicht schlagend viel gemein hat.
Daran ändert auch wenig, dass auf „Blue Haze“ die ursprünglich räudig-punkige Eisenlamm-Interpretation von Rock ’n‘ Roll noch ein Stück weiter Richtung klassischen Rocks aufgebrochen wird. Psychedelische Gitarren-Aufrisse hier, eine Orgel oder ein Melotron da, ein generell geschickt variiertes Tempo, angemessen derbe Refrains – was IRON LAMB anfuzzen, das hat Charakter.

Denn „Blue Haze“ ist eine Rock-Scheibe

Sänger Daniel Forn Bragman klingt wie Lemmy, der ganze Rest der Bande nach dem, was er ist: einem Haufen abgezockter Rock-Veteranen, der dem Genre als solchem locker aus der Hüfte huldigt. Und der und tut, was eben getan werden muss: Ohren vor der Plattensammlung aufreißen, Bier aufreißen, Amp aufreißen und dann mal sehen, wie die Reihe noch fortgesetzt werden kann.
„Bound By Gravity“ beispielsweise erweckt in diesem Sinne MOTÖRHEAD zum Leben beim aufrechten Versuch, im SMOKE-BLOW-Shirt einen THIN-LIZZY-Song zu schreiben. „The Hunt“ macht das Gleiche nur ohne SMOKE BLOW und THIN LIZZY. Und die übrigen Songs schreien einerseits ebenso nach Namedropping mit dem Schwerpunkt auf den späten Siebzigern. Andererseits zeigen sie einem aber auch die Sinnlosigkeit auf, hier Bücher zu schreiben, mehr als notwendig ins Detail zu gehen. Sie gehen lieber direkt ins Bein.

Und der Sinn des Lebens ist zum Greifen nah

„Blue Haze“ ist damit vielleicht kein zukünftiger Klassiker, vielleicht auch keine extravagante oder gar bahnbrechende Angelegenheit. Aber IRON LAMB, dass kann ohne Ironie festgestellt werden, sind doch effektiv. Denn, mal so auf blauen Dunst: Nach den knapp 38 Minuten werden nicht wenige angeregt sein, die eigene Existenz dem Sinn des Lebens durch eine Auswahl handfester Maßnahmen einen entschlossenen Schritt näherzubringen. Rote Birnen in die Lampen, Schnaps-Pipeline in den Hinterhof, Lemmy-Statue aufs Dach, Rasierer auf den Müll. So etwas.

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25.10.2018

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