In The Woods... - Pure

Review

Es ist ja immer eine zwiespältige Angelegenheit, wenn Bands mit einem legendären Ruf sich zu einer Reunion entschließen und der eigenen Diskographie neues Leben einhauchen möchten. Das kann schon mal nach hinten losgehen, wenn das neue Material mau ist. Und wenn die Band für einen steten Wandel stand – wo sollte sie dann überhaupt ansetzen, ohne Erwartungen der Fans zu enttäuschen? Genau diese Fragen tauchen auch bei IN THE WOODS… auf, deren Werdegang von Black Metal bis hin zu progressivem und atmosphärischem Rock führte. Und jetzt ist die Band mit verändertem Line-Up zurück und gibt mit „Pure“ das erste Lebenzeichen seit der Jahrtausendwende von sich.

Zwischen „Omnio“ und Drogennebel

Was den stilistischen Ansatz angeht, gaben ja bereits die vorab veröffentlichten Songs einen ersten Hinweis: „Cult Of Shining Stars“ zeigt die Norweger atmosphärisch und metallisch zugleich, was am ehesten auf die „Omnio“-Phase hinweist. Nicht zuletzt macht der neue Sänger Mr. Fog (der Brite James Fogarty, unter anderem ex-THE MEADS OF ASPHODEL) eine gute Figur, ähnelt seine Singstimme der seines Vorgängers in angenehmer Weise. Überhaupt sind auf „Pure“ nur wenige Stimmbandverschärfungen zu vernehmen – Mr. Fog bleibt beim inbrünstigen Singen, weswegen ein Anknüpfen an die schwarzmetallische Frühphase von IN THE WOODS… entfällt. Ansonsten aber zeigt sich, dass er genau verstanden hat, welche Gesangslinien zur Band und zu den Songs passen.

„Blue Oceans Rise (Like A War)“ wiederum präsentiert die Band mit den Köpfen im Drogennebel, und das hat sich ja zu früher auch nicht geändert. Was insgesamt aber auffällt, ist der vergleichsweise metallische Ansatz: Die Gitarren und das Schlagzeug stehen mehr als früher im Vordergrund, weshalb „Pure“ zumindest klanglich einen eigenen Platz in der Diskographie einnimmt.

Weniger ‚Strange‘, mehr Gänsehaut

Bleibt die Frage, ob es IN THE WOODS… mit „Pure“ schaffen, für offene Münder oder Gänsehaut zu sorgen, und da lautet die Antwort: zumindest in überwiegenden Teilen. Der Titeltrack ist ein flotter Opener, der zwischen Erhabenheit und Dramatik pendelt, und „The Cave Of Dreams“ ist mitreißend gerifft. „Blue Oceans Rise (Like A War)“ und vor allem „Cult Of Shining Stars“ zeigt die Band dann aber in Höchstform: Diese Lieder erzeugen Gänsehaut pur. Da gerät ein Track wie „Towards The Black Surreal“ schon zur Nebensache, in dem sich IN THE WOODS… selbst zitieren und damit noch einmal ‚ganz offiziell‘ an „HEart Of The Ages“ anknüpfen – und ein seliges Lächeln in das Gesicht des Hörers zaubern.

Eher länglich geraten ist hingegen der Abschluss des Albums mit dem Zehnminutenmonster „Transmission KRS“, mit „This Dark Dream“ sowie „Mystery Of The Constellations“, das zumindest ganz zum Schluss noch einmal aufdreht. Angesichts der langen Spielzeit sind diese kleineren Dellen in der Spannungskurve aber zu verschmerzen; und ‚ganz weit draußen‘,wie es „Strange In Stereo“ in Teilen war, ist „Pure“ auch nicht.

„Pure“ ist mehr, als man erwarten durfte

Somit ist „Pure“ ein zugängliches, in Teilen sogar ergreifendes und rundum gelungenes Album geworden. Alle Befürchtungen, die es vorher gegeben haben mag, haben sich erfreulicherweise nicht bestätigt, sondern vielmehr die Hoffnungen erfüllt. IN THE WOODS… bleiben sich selbst treu (ohne einen lauen Aufguss von früher zu servieren) und entwickeln sich moderat fort. Das ist alles, was man erwarten durfte, und vielleicht sogar noch ein bisschen mehr.

23.09.2016

- Dreaming in Red -

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