In Flames - Lunar Strain

Review

Bei Zeitreisen stößt man ja manchmal auf höchst interessante Artefakte. Dieses hier beispielsweise ist älter als unsere Website und wurde daher damals nicht frisch besprochen. Das ist aber noch lange kein Grund, diese Scheibe im Keller verstauben zu lassen. Daher nun ein Review quasi mit knapp 23 Jahren Verspätung…

Zurück zu den Anfängen des Melodic Death

Mitte der 90er erblickt ein neues Subgenre das Licht der Metalwelt, der Melodic Death Metal war geboren. Und nachdem AT THE GATES bereits mit ihrem dritten Werk und Meilenstein „Terminal Spirit Disease“ in den Startlöchern standen und auch DARK TRANQUILLITY mit „Skydancer“ schon stark vorgelegt hatten, debütierte 1994 dann auch der dritte große im Bunde. IN FLAMES veröffentlichten ihren Erstling „Lunar Strain“ und starteten damit ein beispielhafte Erfolgsgeschichte.

Und bereits mit dem messerscharfen Eröffnungs-Riff von „Behind Space“ hatten IN FLAMES bei vielen Fans dieses gerade erblühenden Genres gewonnen. Diese herrlichen Melodien aus dem Heavy Metal gepaart mit der Aggressivität des Death Metal, Tempowechsel am Fließband und die wunderbar keifende Stimme von Mikael Stanne, einfach nur geil! Moment mal, IN FLAMES ohne Anders Fridén? Heutzutage unvorstellbar, aber auf dem Debüt sang tatsächlich Herr Stanne von den befreundeten DARK TRANQUILLITY. Der Opener glänzt dazu noch mit einem Folk-Part am Ende des Songs, das hatte man so in dieser Form damals auch noch nicht allzu oft gehört. Zunächst eher schleppend kommt dann der Titelsong daher, steigert später jedoch das Tempo und wartet im Mittelteil erneut mit einer Melodie zum Niederknien auf. Die Band hatte damals auch noch so einige charmante Ecken und Kanten. Das wirkte alles noch eher roh und nicht so sauber überproduziert wie heute. „Starforsaken“ startet im Anschluss wunderbar mit Violine, bevor die Jungs dann wieder ziemlich aufs Gas drücken. Langeweile? Absolute Fehlanzeige. Auch das reine Instrumental „Dreamscape“ hält spielerisch das für ein Debüt verdammt hohe Niveau. Das zweigeteilte „Everlost“ startet mit dem Heavy-Part erneut schwer schleppend. Und ganz ehrlich, viel melodischer geht’s echt nicht. Der rein akustische zweite Teil setzt dann ausschließlich auf Frauengesang und ist dabei herrlich unaufdringlich melancholisch. An siebter Stelle präsentieren IN FLAMES dann mit „Hargalaten“ eine Überraschung. Denn ein altes schwedisches Volkslied packt ja nun auch nicht gerade jeder auf eine todesmetallische Scheibe. Aber es integriert sich überraschend gut in den Kontext des Albums. Und sofort wird dann wieder die schwere Keule geschwungen mit der quasi Bandhymne „In Flames“. Hier weiß vor allem auch der sehr atmosphärische Zwischenpart zu begeistern. Die letzten beiden Titel „Upon An Oaken Throne“ und „Clad In Shadows“ ziehen dann härtetechnisch nochmals an und zeigen die Band eher von ihrer roheren Seite. Diese beiden kurzen Brecher drücken das Gesamtniveau der Platte zwar ganz leicht nach unten, präsentieren aber durchaus eine andere interessante Facette der Band.

Melodien und Aggressivität in perfekter Symbiose

Auf genau diese Art von Musik hatten scheinbar viele Fans geradezu gewartet, ohne das ihnen dies vermutlich bis dahin wirklich gewusst gewesen ist. Anders ist der kurz danach einsetzende Melodic-Death-Hype nicht zu erklären. „Lunar Strain“ wäre zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vermutlich sogar eher neun Punkte wert gewesen. Aber im Rückblick auf die Diskographie der Band kamen da dann eben doch noch bessere Scheiben wie beispielsweise „The Jester Race“ oder „Whoracle“. Und wenn man diesem Album lauscht, dann wird einem mal wieder äußerst schmerzlich bewusst, wie sehr die beiden damaligen Songwriter Glenn Ljungström und vor allem Jesper Strömblad IN FLAMES heute fehlen…

10.02.2017
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