In Flames - I, The Mask

Review

Wir von metal.de haben IN FLAMES – treue Leser dürften sich erinnern – ja bereits vor fünf Jahren beerdigt. Das ermöglicht den Melodeath-Urgesteinen 2019 auf der anderen Seite natürlich ein befreites Aufspielen, an dessen Ende nur ein Gewinn oder ein weiteres Schulterzucken stehen kann. Und der vorab veröffentlichte Titeltrack zum mittlerweile 13. Studioalbum „I, The Mask“ ließ doch tatsächlich wieder so manches Narrenhaupt aufblicken. Fridén und Co. zeigten sich modern, aber nicht poppig – und sie hatten Martin fucking Wallström im Video zur zweiten Single.

Kinderchöre und Reißbrett-Radio-Metal-Banger

Tatsächlich startet „I, The Mask“ fulminant. „Voices“ und besagter Titeltrack sind vielleicht nicht „Clayman“-stark, preschen jedoch durchaus zwingend nach vorne und münden in Refrains, die im positivsten Sinne eingängig sind. Natürlich gewinnen IN FLAMES-Riffs schon seit mindestens einer Dekade keine Innovationspreise mehr, aber man muss der Band zugutehalten, dass sie sich ihr Händchen für Songdynamiken und einprägsame Melodien bewahrt hat. Die Shouts von Anders Fridén profitieren ebenso wie seine Gesangsstimme von großem Wiedererkennungswert. Bis „I Am Above“ läuft die Mission Fanversöhnung wie am Schnürchen. Dann wird es experimenteller.

Im Intro von „(This Is Our) House“ schreit Fridén mit einer Horde schwedischer Kindergartenkinder um die Wette, bevor der Song in ein maximal stumpfes Riff mit Vocoder-artigem Sprechgesang übergeht. Nach mehreren gar nicht mal so schlechten Refrains hat man die Kinder ganz vergessen – und wird so ziemlich kalt vom Outro erwischt. „We Will Remember“ und „In This Life“ sind danach als absoluter Reißbrett-Radio-Metal-Banger fast noch ärgerlicher.

IN FLAMES wollen genau so sein, wie sie sind

Spätestens bei „Burn“ lässt sich folgende Diagnose stellen: IN FLAMES könnten dieser Tage mit Leichtigkeit ein schnörkelloses Modern Metal-Album aufnehmen, das sämtliche Trademarks der Band seit „Clayman“ vereinte und dessen größter Schwachpunkt die stellenweise Selbstkopie wäre. Auf „I, The Mask“ zeugt davon gleich eine ganze Reihe von Tracks und auch Kollege Möller hob 2016 so manches auf „Battles“ positiv hervor.

Aber: IN FLAMES wollen weiterhin mehr und lassen Anders Fridén deswegen die Freiheit, Mercury-Jauchzer anzustimmen („All The Pain“) und über Akustikgitarren und Streichern hemmungslos zu schmachten („Stay With Me“), wenn er nicht gerade mit Kinderkehlenunterstützung sein Haus besingt. Lasst uns gemeinsam beten, dass das Rausschmeißer-Doppel seine Live-Premiere wenn überhaupt nur als Vollplayback feiern wird.

Die zweite Albumhälfte von „I, The Mask“ ist nüchtern betrachtet ein Desaster, das die anlaufende Party ziemlich effektiv killt. Mal wieder muss man den Göteborg-Legenden auf Albumlänge Mittelmaß attestieren. Und man muss davon ausgehen, dass sie es genauso wollten.

22.02.2019
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