In Extremo - Wolkenschieber

Review

Galerie mit 21 Bildern: In Extremo – Baltic Open Air 2023

IN EXTREMO werden in einem Jahr 30 Jahre alt. Haben die Herren eine bessere zeitliche Hand als beim Release von „Kompass Zur Sonne“ zum 25. Bandgeburtstag? Im Frühjahr 2020, genau zum Start der Pandemie, kam das Album auf den Markt. Es hat sich einiges verändert im IN-EXTREMO-Kosmos. Das ewige Septett ist zum Sextett geworden. Eine tragische Geschichte um Boris Pfeiffer, den ehemaligen Spezialisten für Marktsackpfeife, Schalmei und Nyckelharpa, ist Thema im ausführlichen Interview. Das Sextett schaut gemeinsam und basisdemokratisch zum Himmel. Es sind zu viele dunkle Wolken zu sehen, sodass der „Wolkenschieber“ gesucht wird.

Wo ist der „Wolkenschieber“?

Eigentlich sollte „Wolkenschieber“ bereits im Herbst vergangenen Jahres auf den Markt kommen. Mit einem knappen Jahr Verspätung ist es nun so weit. Die Vermutung liegt nah, dass für den 30. Geburtstag neben der entsprechenden Party auch ein neues Album am Start sein soll. Die Bandbreite ist sowohl textlich wie auch musikalisch größer geworden. Elektronische Elemente, wütende Ausbrüche, Balladen und genretypische IN-EXTREMO-Songs befinden sich auf „Wolkenschieber“. Was ebenfalls auffällt: vielfältige Gastsänger. Die halbe KELLY FAMILY, der Sänger von SANTIANO, JOACHIM WITT oder auch Oliver Satyr von FAUN sind in der Liste zu finden. Haben uns IN EXTREMO eine Mischung aus Schlager, Folk und Neue Deutsche Welle zusammengeschustert?

Vorab noch einige Worte zu den Lyrics. IN EXTREMO klingen angepisst und nehmen den Ball, den die Herren via „Lieb Vaterland, Magst Ruhig Sein“, sowie „Saigon Und Bagdad“ und „Lügenpack“ weiter ins Spiel gebracht haben, nun komplett in die Hand. „Katzengold“, „Schweine“ oder selbst bei „Geschenkt Ist Geschenkt“: Micha Rhein und Co. beziehen klar Stellung mit einem deutlichen „Fuck You“ an Hetzer, Spalter, Verschwörungsanhänger, Populisten und sonstige homophobe Idioten.

Verehrt und angepisst: IN EXTREMO beziehen klar Stellung

Am Anfang steht der „Wolkenschieber“. Obskure Geschichten gehören zum Folk- und Mittelalter. Hier geht es um einen Berliner Apotheker, der 1874 ein Mittel gegen alle Unannehmlichkeiten parat hatte. Der Name des Mittels: „Wolkenschieber“. Egal ob Durchfall, Beziehungsprobleme oder Depressionen. Ein paar Schlucke vom „Wolkenschieber“ und schon sieht der Himmel wieder heller aus. Oder einfach auf den Punkt gebracht – Saufen lenkt bereits seit circa 150 Jahren von großen und kleinen Problemen ab. Passend dazu haben IN EXTREMO auch noch das richtige Getränk mit dem gleichen Namen in einer Bitterversion am Start. Musikalisch ist es eine moderne, aber dennoch typische, IN EXTREMO-Nummer, wo nicht nur einmal mit den Augen gezwinkert wird.

Ein Rückblick auf 30 Jahren Bandgeschichte befindet sich in „Weckt Die Toten“. Fans werden es wissen: der Titel stammt aus dem Jahr 1998 und von dem gleichnamigen Album gingen knapp eine halbe Millionen Exemplare über den Ladentisch. Der Unterschied zu 1998: Das Ausrufezeichen fehlt. Spätestens mit „Katzengold“ sind wir bei IN EXTREMO anno 2024. Dumm, Dumm, Dummheit als Taktstock mit elektronischen Einsprengseln, ein aggressiv und angepisst klingender Michael Robert Rhein sowie eine klare Stellungnahme der Band.

Das Gegenstück folgt mit Mittelalter auf isländisch und „Olafur“. Wenn der SANTIANO-Sänger mit am Start ist, besteht grundsätzlich die Gefahr eines überbordenden Shantys. „Unser Lied“ schunkelt kräftig, schwimmt aber in IN-EXTREMO-Gewässern. Ganz anders kommen Oliver Satyr (FAUN) und Rhein aus den Boxen und kredenzen uns eine Ballade zum Thema Abschied von geliebten Menschen. Eine Problematik, mit der früher oder später jeder Mensch konfrontiert wird.

Mit dem „Wolkenschieber“ wird der Klangkosmos ausgedehnt

JOACHIM WITT ist bei der „Des Wahnsinns Fette Beute“ mit dabei, die mehr oder weniger zum Standardrepertoire des Sextetts gehört, auch wenn der stampfende Rhythmus und der Sprechgesang von WITT nicht in jeden Gehörgang passen werden. Elektronisch, schräg, aggressiv und aus dem Rahmen fällt „Geschenkt Ist Geschenkt“, dass sich zusammenfassend eher in Wave & Gothic einordnen lässt und den Klangkosmos von IN EXTREMO ausdehnt.

Die Moderne loten Rhein und Co. mehr denn je aus. Auch bei „Aus Dem Leben“ mit den Kelly-Brüdern gibt’s poppige Elektronik, die wie der Vorgänger sich vom IN EXTREMO-Standard entfernt und den musikalischen Rahmen dehnt. Die Old-School-Fraktion fängt „Komm Lass Die Welt Sich Einfach Weiterdrehen“ umgehend wieder ein, bevor das getragene „Terra Mater“ die Standardversion beendet. Zwei Bonustracks liegen uns noch vor. „Schweine“ greift nochmals in die Richtung von „Katzengold“ mit einer aggressiven Grundstimmung. Getragener, aber klar voran, schippert „Das Totenschiff“ durch die Gewässer und könnte auch auf Vorgänger-LPs zu finden sein.

Vieles anders, aber nicht alles neu

Wie ein Folk Rock- und Mittelalteralbum zu gestalten ist, diese Erfolgsformel kennt das Sextett seit fast 30 Jahren. Ein erweiterter Klangkosmos und klare Lyrics, die nicht vor anklagenden politischen Statements zurückschrecken, zeigen, dass IN EXTREMO nicht vorhaben sich nur auf ihrem Standard auszuruhen. Die modernen elektronischen Spielereien werden die Old-School-Fans und Mittelalterfraktion auf die Probe stellen.

Der große Partyonkel, der Sachen wie „Sternhagelvoll“ oder ähnliche Nummern geliefert hat, ist nicht auf „Wolkenschieber“ zu finden. Die unruhigen Zeiten wirken sich auf den Schreib- und Produktionsprozess von Album Nummer 13 aus, sodass die zum Sextett geschrumpfte Band sich politisch und angriffslustig wie noch nie präsentiert. 2024 ist nicht alles neu im IN EXTREMO-Universum, aber vieles anders.

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06.09.2024

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