IMPERIAL TRIUMPHANT machen ernst. Ihr dachtet, „Alphaville“ wäre schwer verdaubar gewesen? Die Jazz-Einflüsse würden zumindest die Härte ein wenig entschärfen? Ha. Ha ha. Hahaha! Ihr neues Album „Spirit Of Ecstasy“ wird euch eines Besseren belehren! Bereits Opener „Chump Change“ straft nach längerem Schlagzeugintro mit seinen abartig dissonanten Leads alle diese Vermutungen Lügen. Dabei klingt gerade das eröffnende Schlagzeug beinahe ein wenig wie die Eröffnung von „Hot For Teacher“ oder auch JUDAS PRIESTs „Painkiller“ mit seinen linearen Ostinati, trotz natürlich anderem Grundrhythmus, und wirkt beinahe beschwingt. Auf „Spirit Of Ecstasy“ wirken IMERPIAL TRIUMPHANT im Gesamten allerdings ungewohnt heavy, als ob der Jazzanteil ein wenig übergefallen ist in der Zwischenzeit.
Dem ist aber nicht so, er versteckt sich heuer nur ein wenig mehr. Der unbändige technische und positivistische Vorwärtsdrang des Menschen, der sogar nach den Sternen greift, gleichzeitig aber Entfremdung, Ausbeutung und Elend bedeutet, wo Glamour und Gosse nebeneinander existieren, findet sich erneut nicht nur musikalisch, sondern auch textlich auf „Spirit Of Ecstasy“ wieder. Der Albumtitel spielt wahrscheinlich auf die gleichnamige Kühlerfigur von Rolls Royce an, was auch im Video unten refenziert wird.
IMPERIAL TRIUMPHANT sind definitiv nicht einfacher zu konsumieren geworden
Und noch eins sei gesagt: Einfacher wird es auch nach diesem Opener nicht. „Metrovertigo“ macht genauso unangepasst weiter, die Musikinstrumente scheinen übereinander zu stolpern und sich zu überwerfen, bevor Fuß gefasst werden kann. Das Riffing wird kurzzeitig zwar auch simpler und wieder sehr heavy, ganz als ob sich MORBID ANGEL dazwischen geschlichen hätten, aber dann taumelt der Song wie die titelgebende „Metrovertigo“ umher. „Tower Of Glory, City Of Shame“ bildet mit filmischen Samples und sich sehr langsam aufbauender Atmosphäre erneut einen Bezugspunkt der Dekadenz und des „Babelturmbaus“ von New York musikalisch wunderbar nach, vor allem mit dem sehr wirren Schnitt aus Samples und harten Riffs am Ende des Songs. Sehr beeindruckend und eigentlich heimlicher Star bei IMPERIAL TRIUMPHANT auch auf diesen Album sind neben den chaotischen Riffs von Zach Ezrin die hin- und herspringenden Basslinien von Steve Blanco, der wirklich NIE still halten kann auf diesem Album.
„Merkurius Gilded“ setzt mehr auf flächige Tremolo-Riffs und filmische Atmosphäre im Zusammenspiel mit den Samples, hat mit Kenny G auch einen nicht ganz unbekannten Sopransaxophonisten an Bord, der sich mit seinem Sohn Max als Gast an der Gitarre im Mitteilteil geradezu im Solo duelliert. Überhaupt Gäste, derer sind auch auf „Spirit Of Ecstasy“ wieder einmal viele vorhanden. Unter anderem Alex Skolnick (TESTAMENT), alte Bekannte wie Yoshiko Ohara, J.Walt Hawkes und Ben Hankle, die auch schon auf den Vorgängern vertreten waren, aber auch Colin Marston (KRALLICE), Percy Jones, Snake (VOIVOD), Jonas Rolef, Trey Spruance (MR. BUNGLE), ANDROMEDA ANARCHIA, Sara Woods und SEVEN SUNS geben sich die Klinke in die Hand, ob als Musiker, hintergründige Sänger oder sonst wie.
„Death On A Highway“ gibt sich in der Tat als ein musikalisch verrückter Roadtrip aus den gewohnten Samples, abrasiven dissonanten Riffs, aber auch chilligerer Lounge-Jazz-Atmosphäre. „In The Pleasure Of Their Company“ ist im besten Sinne „free-jazzig“, denn dieses Instrumental wirkt sehr improvisiert, als ob IMPERIAL TRIUMPHANT unter der Woche in einem Club auftreten und jammen würden, dementsprechend steht hier auch weniger der Metal und die Schwere im Vordergrund wie noch auf den vorigen Songs. Wie bereits im Eingang geschrieben, der Jazz findet sich hier definitiv noch wieder, er ist nur ein wenig mehr versteckt, unter anderem in diesem Song. Das Quasi-Minihörspiel „Bezumnaya“ ist vollständig auf Russisch gehalten (Zach Ezrin hat osteuropäische Wurzeln) und ist mehr Sprachsample als Song, obwohl es kurz vor Ende dann doch noch ein paar E-Gitarren gibt, bringt aber eine sehr atmosphärische Komponente hinzu. „Maximalist Scream“ mit Snake von VOIVOD als Rausschmeisser klingt genauso, wie anhand des Videos zu erwarten wäre:
„Spirit Of Ecstasy“ gibt sich weniger ekstatisch, vielmehr bedrückend, verstörend, aber doch faszinierend
Wie in einem David Lynch-Film steht nicht so sehr der Plot oder eine geordnete Struktur im Vordergrund, vielmehr sind es Vibe und Atmosphäre. So auch bei diesem Song. Und dieser Vibe ist auch auf dem gesamten Album im Vergleich zum Vorgänger doch spürbar düsterer ausgefallen. „Spirit Of Ecstasy“ zieht mit seiner bedrückenden Atmosphäre hinab, quasi in eine Lethargie der Ekstase, des ständigen Exzesses. Denn ekstatisch ist bei den vielen Longtracks auf diesem Album und oft auch dem Bleiben im Midtempo hier nicht besonders viel, aber mit ein wenig Arbeit und mehreren Durchgängen schleicht sich „Spirit Of Ecstasy“ doch noch irgendwo in die Glieder, wenn auch sehr unterbewusst und zunächst nicht gut greifbar. Dafür entwickelt es sehr viel mehr nachhaltige Wirkung. „Alphaville“ war der publikumswirksame Star, um Aufmerksamkeit zu generieren, „Spirit Of Ecstasy“ ist nun das Arthouse-Kino, mit dem viele (noch) weniger werden anfangen können. Die „Alphaville“-Kritik hat IMPERIAL TRIUMPHANT noch vorgeworfen, um ihrer selbst willen zu verkopft zu sein und vorgeschlagen, an manchen Stellen eingängiger zu werden.
Nun, „Spirit Of Ecstasy“ streckt derartigen Forderungen eindeutig den Mittelfinger entgegen. Das sollte Grund zur Sorge bieten, aber eher ist das Gegenteil der Fall. Ja, „Spirit Of Ecstasy“ will erneut erarbeitet werden, gibt sich ziemlich edgy und wenig zugänglich und wird viele erst einmal ziemlich vor den Kopf stoßen. Es legt sich aber auch wie ein Faltbild oder Puzzle mit jedem weiteren Durchgang kaleidoskopartig vor einem aus. Der Grundtenor ist anders als noch auf „Alphaville“, trotzdem bleiben IMPERIAL TRIUMPHANT unmissverständlich als sie selbst erkennbar. Anstrengend ist das natürlich immer noch, wer hier Strophe-Chorus-Strophe-Schema, eingängige Riffs und irgendwas zum Festhalten sucht, wird bitter enttäuscht werden. Faszinierend, eigenständig und in ihrer Gesamtatmosphäre einnehmend sind IMPERIAL TRIUMPHANT auf „Spirit Of Ecstasy“ dennoch und somit liegt wahrscheinlich das bislang stärkste Material der Band vor (diskutierbar mit „Vile Luxury“ zusammen), die ihrer Heimatstadt damit ein (weiteres) Denkmal gesetzt haben.
Nicht jeder Hype ist aus der Luft gegriffen, Imperial Triumphat sind einfach mitunter der geilste Scheiss, der sich derzeit in der Szene tummelt. Wo man bei anderen Bands jede Nase lang auf Kompromisse trifft, ziehen Imperial triumphat einfach ihr Ding durch und sind damit auch noch immens erfolgreich, künstlerisch sowieso und wahrscheinlich auch kommerziell. Derartige Qualität findet ihr Publikum. Ich habe das Album noch zu wenig gehört, um wirklich Vergleiche zum Vorgänger ziehen zu können, gefühlt ist es aber noch mal etwas stärker geworden. Gehört in jede Liste die sich mit den Metal Jahre-Highlights befasst!
Sehr spannendes Album das massivstes Kopfkino bei mir auslöst. Sehr sehr visuell das ganze. Hype oder so ist aber zumindest an mir vorbei gegangen. Viele geile Alben in jüngster Zeit.
Die sind aber schon sehr darum bemüht anders zu sein, nicht? Stimmungsabhängig..
Sehr darum bemüht genial zu sein, würde ich sagen. :))
>darum bemüht genial zu sein<
Na, dann kann ja nichts schief gehen.. 😉
Ich komm an die einfach nicht dran mir ist das zu vertrackt, zu wenig Fluss zu wenig „Musik“ als solches. Da kommt kein Hörfluss bei mir auf.
Und ich höre sonst doch einiges an TechDeath oder auch gerne Djent, kann also mit einigem nicht typischen doch gut umgehen. Aber hier ist es mit irgendwie too much, bzw. vtl. auch zu wenig, ich weiß es nicht genau – aber mir erschließt sich das nicht. Vtl. muss man das aber auch als Gesamtkonzept ansehen und begreifen, aber zu visueller Kunst hab ich halt so gar keinen Zugang.
Ja, ja, das ist Kunst und so. Mir geht solche Musik aber in erster Linie nur auf die Nerven.
Nicht schlecht das ganze. Aber auf Dauerschleife wird das bei mir auch nicht laufen.
Diese seltsame Inkohärenz deiner Kommentare bereitet mir bisweilen Kopfschmerzen Watu. Indirekte Major Release, teure Produktion etc. Ja was denn nun?
Verstehe die Aussage nicht. Major Releases und teure Produktionen muss ich konsequent verteufeln, um kohärent zu sein?
Am Ende zählt für mich immer das Ergebnis und nicht die Begleitumstände.
Wenn ich diese Musik höre, muss ich sofort an einen Film denken, der 2014 meine Gehirnwindungen gehörig durcheinander gebracht hat, aber an visueller Ektase für mich heute unerreicht ist – The Strange Color of Your Body’s Tears.
Lynch ist dagegen, wenn auch nicht ganz vergleichbar, eher „easy listening“. Allerdings stellt nur die Vorstellung im Kino eine würdevoll Begegnung mit dieser Perle dar.
https://www.youtube.com/watch?v=nOTt4lUdK9A
Hat im Gegensatz zu seinen Vorgängern ein wenig Zeit zum eingewöhnen gebrauch, läuft dann aber echt gut runter.
Muss man aber auch wirklich für in der richtigen Stimmung für sein.
Ich mach da langsam meinen Frieden mit. Wenn’s einen abstößt, einfach irgendwann noch mal anhören.. falls man solcher Musik nicht grundsätzlich abgeneigt ist.
Ich sehe mich zwar derzeit noch außer Stande eine Bewertung abzugeben, aber meine Synapsen haben das mittlerweile als „gut“ abgespeichert.