Immortal Bird - Thrive on Neglect

Review

Black Metal, Death Metal, Grindcore, Hardcore, Crust, Sludge, Noise. Was wie eine wahllose Aufzählung extremer Musikgenres wirkt, ist in Wahrheit die Liste der Spielarten, mit denen der Sound der Chicagoer Band IMMORTAL BIRD in der Fachpresse schon gelabelt wurde. Die Idee verschiedene Subgenres zu mixen, um als Künstler die maximale Ausdrucksfähigkeit erreichen und einen Sound zu kreieren, der Alleinstellungsmerkmal sein und Wiedererkennungswert generieren soll, ist ja beileibe nicht neu. Die Truppe aus Illinois treibt es aber tatsächlich auf die Spitze und veröffentlicht mit ihrem vierten Release „Thrive on Neglect“ mal wieder ein äußerst vielschichtiges Werk, das man keiner Stilrichtung so richtig zuordnen mag.

„Thrive on Neglect“ sprengt Genregrenzen

Würde man dagegen versuchen, „Thrive on Neglect“ mit Begrifflichkeiten jenseits irgendwelcher Genretermini zu beschrieben, so passen die Adjektive „destruktiv“ und „verstörend“ wohl am besten. Letzteres beschreibt im Übrigen auch das fabulöse Artwork relativ akkurat, aber das sei nur am Rande erwähnt. Doch zurück zum Fachsimpeln: Die Musik von IMMORTAL BIRD setzt sich tatsächlich aus Black- und Death-Metal-Elementen zusammen, die mit schweren doomigen Passagen und dissonanten Läufen angereichert werden und stellenweise in den Noise-Bereich abdriften. Das Ganze wird standesgemäß garniert mit häufigen Tempo- und Rhythmuswechseln und einer äußerst morbiden Krächzstimme aus der Kehle von Unheilsprophetin Rae Amitay.

Die etwas gemäßigteren Passagen, die eher die klassischen Death- und Black-Metal-Elemente bemühen sind hierbei durchaus eingängig und auch mit gefälligen Melodien ausgestattet. Solche findet man z.B. im Opener „Anger Breeds Contempt“ oder im epischen „Avolition“, das gleichzeitig den längsten und zugänglichsten (weil gemäßigtsten) Song der Scheibe darstellt. Das anschließende „Solace in Dead Structures“ kommt auffallend schleppend und düster daher, brilliert dann aber mit großartigen Death-Parts und gibt dabei richtig Gas.

Der Rausschmeisser „Stumbling Toward Catharsis“ dagegen verbreitet eine extrem depressive Stimmung und bedient sich daneben stark in der Black-Metal-Schublade, bevor er am Ende noch mit einem überraschenden Solo aufwartet. Die progressiven Elemente fungieren dabei als Katalysator und verstärken die bedrückende Atmosphäre. Zu guter Letzt finden sich auf dem Album natürlich auch die ganz abgefahrenen Songs, die viel Hektik und Chaos ausstrahlen, wie beispielsweise „House of Anhedionia“ oder „Vestigial Warning“, die von den progressiven Stilmitteln und Tech-Death Elementen dominiert werden und stellenweise schon fast ins Noise überborden.

IMMORTAL BIRD bitten um ungeteilte Aufmerksamkeit

Offensichtlich ist also, dass die Bandbreite sehr groß ist. Die Bewertung des Corpus Delicti ist im vorliegenden Fall daher nicht ganz trivial. Einerseits könnte man argumentieren, dass die Stringenz, der rote Faden abgeht, andererseits ist eben genau das das Gesamtkonzept der Band und dieser Art von Musik. Musikalisch und technisch ist das alles einwandfrei, da gibt es nichts zu beanstanden. Die notwendige Aggressivität strahlen die Songs auch aus und. Allein das alles verschlingende Chaos trübt zum Teil das Hörvergnügen.

Easy Listening ist die Platte also sicherlich nicht, das ist aber auch zweifelsohne nicht ihr Anspruch. IMMORTAL BIRD brauchen die volle Aufmerksamkeit und Muße des Hörers – und einige Durchgänge, um sich reinzuhören. Dann kann „Thrive on Neglect“ sein Potenzial entfalten und Freunde des komplexen, progressiven Sounds kommen hier sicherlich voll auf ihre Kosten.

02.07.2019
Exit mobile version