Igorrr - Savage Sinusoid

Review

Galerie mit 21 Bildern: Igorrr - Wacken Open Air 2023

Gautier Serre, besser bekannt als IGORRR, liefert die Überdosis metallischen Dadaismus‘ – oder ist es dadaistischer Metal? Schwer zu sagen, was hier auf „Savage Sinusoid“ überhaupt abgeht. Nur eines scheint fest zu stehen. Man muss wohl aus Frankreich kommen, um solche Musik aufnehmen zu können. Denn IGORRR reiht sich musikalisch glatt zwischen PRYAPISME und öOoOoOoOoOo ein. Dabei ist „Savage Sinusoid“ durch den Gesang etwas eingängiger als PRYAPISME und dennoch kompromissloser als öOoOoOoOoOo.

Reizüberflutung Galore – mit Methode?

Ist das noch Kunst? Schwer zu sagen. Denn wo fängt sie an, wo hört sie auf? Und wer bestimmt das überhaupt? Mit IGORRR verhält es sich dabei ein bisschen wie der Gang durch eine Kunstgalerie. Man kommt an allerlei Gemälden vorbei, die ziemlich einschlägige Darstellungen enthalten. Ein furchtloser Krieger, nur mit Schiesser bekleidet, ringt einen Drachen nieder. True Metal. Eine einsame Dame wird von dunklen Schwaden gefesselt, die aus einem durch die Reflexionen der Sterne am Nachthimmel schimmernden See emporsteigen. Irgendwas mit Gothic/Symphonic. Die Nordmänner landen am Ufer eines unerschlossenen Landes und sind bereit, ihren Raubzug in Angriff zu nehmen. Viking Metal. Eigentlich alles ganz eindeutig.

Aber irgendwo dazwischen bleibt der Blick an einem Gemälde hängen, das lauter Farbkleckse von unterschiedlicher Größe, Farbe und Form beinhaltet. Irgendwie will das Bild dem auf den Boden geblieben Freund irdischer Ästhetik so gar nichts mitteilen. Der Kunstliebhaber dagegen lässt sich postwehend zu allerlei Interpretationen bezüglich der Intention des Künstlers hinreißen. Hat er sich dabei vielleicht wirklich etwas gedacht? Die Komposition sorgfältig durchgeplant? Oder ist er einfach nur lachend und keckernd im Adamskostüm um die Leinwand gerannt und hat wie Hänschen klein im Zuckerrausch alles vollgekleckert?

Und weil der Künstler ein Schelm vor dem Herren ist, lässt der sich natürlich nichts anmerken und sowohl den Normalo als auch den Aficionado vor die sprichwörtliche Wand laufen. Was am Ende der Tatsache entspricht? Das bleibt ein Geheimnis, das der Künstler wohl niemals lüften wird.

IGORRR kneten das Hirn kräftig durch

Tatsache ist, dass „Savage Sinsoid“ ziemlich durch ist. IGORRR stellt einen ständig vor die Frage: „Warum?“ Zwischen klassischer Barockmusik, Breakcore und seinen artverwandten Genres und härterem Metal irgendwo zwischen Black, Death und Industrial Metal ändert sich die Stimmung der Songs gefühlt im Sekundentakt. Die Stile überlappen gerne, mal mit Gesang, mal ohne. Dieser wiederum kommt in Form von Death-Metal-Growls oder auch weiblichem Operngesang daher. Zackig jagen einem aus den Boxen Dinge entgegen, die teilweise so klingen, als würde die Band drei Songs gleichzeitig spielen.

Für die reine Reizüberflutung ist „Savage Sinusoid“ somit eine todsichere Bank. Wer hingegen mehr als nur das hysterische Spektakel vermeintlicher (?) Wahllosigkeit sucht, könnte hier möglicherweise enttäuscht werden. Denn nicht nur ist „Savage Sinusoid“ anstrengend zu hören, irgendwie will sich auch kein handfester Hit herauskristallisieren, zumal der Platte zum Ende hin dann doch etwas die Puste ausgeht. Aber wann hat sich die moderne Kunst schon jemals um so etwas wie Eingängigkeit und Mainstream geschert? Eben. Man kann IGORRR also guten Gewissens mal eine Chance geben und ihn das Hirn durchkneten lassen, so wie es im folgenden Musikvideo zu „ieuD“ geschieht:

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09.06.2017

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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6 Kommentare zu Igorrr - Savage Sinusoid

  1. Doktor von Pain sagt:

    Also, ich find’s mal richtig gut!

    9/10
    1. sickestbreed sagt:

      ich auch, defintiv mal was anderes 🙂

      9/10
  2. Winterpercht sagt:

    Savage Sinusoid ist genauso durchgeknallt wie abwechslungsreich. Die Dosis von knapp 40 Minuten reicht tatsächlich, gerade weil nahezu elegische Parts sich mit verdammten Wahnsinn sehr gut ergänzen. Zu viel davon würde irgendwann nicht mehr funktionieren. So an sich hab ich beim Hören das Gefühl, das ich bei Shinings Blackjazz hatte (also logischerweise die Norweger und nicht der Ritzgriffel), nur dass das Ganze durchaus noch Struktur besitzt und trotz der vielen tausend Einflüsse noch wenig jazzig ist. Ich vermute ja, dass die Band beim Hören ihres (v)erbrochenen ins Fäustchen lachen und auf die Schulter klopfen, denn Aufmerksamkeit ist ihnen ja wohl garantiert. Klares Lieben- oder Hassending. Für den Moment finde ich es genial!

    9/10
  3. nili68 sagt:

    Erinnert mich von der Stimmung her teilweise an Angizia, nur dass die ja nie wirklich Metal waren, wohingegen es hier teilweise schon recht heftig zur Sache geht. Liegt wohl an dem, bei allem Stilmischmasch, latenten Operettenfeeling slavischer Prägung… gemischt mit derben Sounds, sowohl metallischer als auch elektronischer Art, wohlgemerkt.
    Man sollte probehören, selbst wenn man auf abstruse Musik steht. Wer sonst auch sowas wie Mr. Bungle, Fantômas oder Ähnliches hört, sollte allerdings keine Probleme haben.
    Mir gefällt’s ausgezeichnet.

    10/10
  4. Buddy S sagt:

    Bin gerade dabei es mir komplett anzuhören und eins weiß ich jetzt schon Wahnsinn und Genie treffen sehr gut aufeinander, denn gerade dieser Stilmix aus allem was gerade passen könnte, selbst wenn es nicht passt, gefällt mir sehr gut. Es ist erfrischend anders. Ich will nicht behaupten, dass jeder Track einen Ohrwurmcharakter besitzt, aber vieles fräst sich richtig gut ins Gehör. Ich hab die Band viel zu lang ignoriert mit Ihrem Intermezzo. So etwas wird kein zweites Mal mehr vorkommen. Von mir bekommt auch eine 8. Man muss den Künstler hinter diesem Projekt einfach loben, andererseits scheinen die Franzosen ja schon immer musikalisch einen an der Waffel gehabt zu haben 😀

    8/10
  5. Klogesicht sagt:

    Die Kunst die sich um Eingängigkeit kümmert ist vielleicht gar keine, sondern lediglich der Überlebensmotor eines Einfältigen, der ein Produkt zum leichten Verzehr anbieten möchte. Das immer selbe Filet, ohne Knochen oder Gräten. Old McDonalds hab a Burger – Hi Hey Hi Hey Gähn. Hier darf man jemanden der bei sich selbst ist beobachten. Da werden alle Schubladen aufgerissen bis der Schrank umkippt. Der Sprint eines Bewegungslosen. Und wenn sie dabei auf dem Kopf standen und lachten, so gibt das wenig Auskunft über Sinn und Unsinn. Wir dürfen dankbar sein über jeden der noch nicht im Hamsterrad der Erwartungen läuft und dabei Münzen scheisst. Das klappert nur.

    9/10