Was vermag schon effektivere Abhilfe gegen die offensichtlich hartnäckig in Ginger Elvis‘ kreativem Hinterschädel verharrende „Post Pop Depression“ zu verschaffen als ein Bild- und Tondokument, in dem Homme, Band und sicherlich eine ganze Reihe von Fans um den Globus, die es zu entsprechender Zeit nicht zu einem der wenigen Konzerte geschafft hatten, von nun an schwelgen dürfen? Doch, dass die historische Kooperation, die, unter dem Banner IGGY POP zusammengeschart, 2016 die ungeliebte Einordnung als Supergroup clever umschiffte, eine so oder so ähnlich geartete Form der Archivierung erfahren würde, war realistisch betrachtet abzusehen. Was dieser Tage optisch als Kobra-11-Folge getarnt die Video-Regale der Welt entert, darf deswegen sicherlich als verhalten positive Überraschung gelten.
„American Valhalla“ wirkt authentisch
„American Valhalla“ dokumentiert den Entstehungsprozess des offiziell 18. Studioalbums von IGGY POP, welches inoffiziell gleichzeitig das Gipfeltreffen von Josh Homme (QUEENS OF THE STONE AGE, THEM CROOKED VULTURES, Ex-KYUSS), Dean Fertita (QUEENS OF THE STONE AGE, THE DEAD WEATHER) und Matt Helders (ARCTIC MONKEYS) mit dem „Godfather of Punk“ darstellte. „Post Pop Depression“, das war 2016 schnell klar, ist weitaus mehr als IGGY POP. „American Valhalla“ verrät nun, wie viel mehr.
Dabei folgt die knapp eineinhalbstündige Dokumentation zwar größtenteils der gängigen Dramaturgie von Band- und Konzertfilmen (Einzelprofile der Protagonisten, Kontaktaufnahme und Zusammenkunft, erste Schritte, die Teilchen fügen sich, neue Charaktere, Euphorie, Downer, versöhnliche Endeuphorie etc. pp.), wirkt dabei abgesehen von einigen wenigen notwendigen erzählerischen Kniffen und Nachstellungen aber überaus ehrlich und unterhält überdurchschnittlich gut.
Musik-Ikonen in der Wüste
Das liegt einerseits an IGGY POP selbst, dessen Mimik auch ohne seinen entblößten Moorleichenkörper absolut fesselt. Seine Wortbeiträge verknüpfen Altersweisheit, verschrobene Technologiefeindlichkeit, Scharfsinnigkeit und kindliche Freude an Musik und dem Leben an sich zum Profil einer bisweilen schon unbehaglich stimmig erscheinenden Ikone der Rockmusik.
Das liegt zum anderen an der Hauptkulisse des Films, dem legendären Studio „Rancho De La Luna“ in Joshua Tree, Kalifornien, in dessen karger Wüstenatmosphäre neben Josh Hommes eigenen Bandprojekten schon Künstler wie MASTERS OF REALITY, PJ HARVEY und FOO FIGHTERS für intensive Recording-Sessions zu sich gefunden haben. Es ist faszinierend anzusehen, wie die versammelten rockmusikalischen Größen an diesem Ort völlig selbstvergessen zwischen den verstreuten Gebäudeteilen und Kakteen durch den Wüstensand wandeln und sich dreimal am Tag ihre Umlaufbahnen bei ungezwungenen gemeinsamen Mahlzeiten treffen.
Die Zwischentöne lassen „American Valhalla“ herausstechen
Zusätzliche Tiefe erhält das Ganze durch die Tagebucheinträge, die IGGY und Josh aus dem Off vorlesen und die die respektvolle gegenseitige Annäherung der beiden Rock-Idole aus verschiedenen Generationen gut greifbar nachzeichnet. Dabei verbreitet „American Valhalla“ ein gänzlich tiefenentspanntes Gefühl. Es wird nicht gesoffen, nicht eskaliert, nicht gefeiert. Die Studiotage scheinen sich an beruhigend „normalen“ Konstanten zu orientieren. Die Musiker fabulieren über Sonnenaufgänge in der Wüste und den Wert des Hier und Jetzt. So wirkt es wie ein ehrlicher Schock, als alle Beteiligten durch die plötzliche Fertigstellung ihres musikalischen Projektes aus dem liebgewonnen Kontinuum gerissen werden. Die titelgebende „Post Pop Depression“ geht tatsächlich mehr unter die Haut, als so manch reißerisch inszenierter Konfliktgipfel in einschlägigen Band-Dokumentationen der Vergangenheit. Allen Versammelten ist klar, dass ein solches Moment musikalischer und menschlicher Findung zwischen vier so unterschiedlichen musikalischen Egos keine Wiederholung kennt.
Doch alle Wehmut ist in dem Moment dahin, in dem man die Protagonisten aus „American Valhalla“ mit Live-Verstärkung und rot leuchtenden Sakkos (in IGGYs Fall natürlich ohne etwas drunter) die Londoner Royal Albert Hall bespielen sehen darf. Das ist ehrliche Freude und Glücksseligkeit auf und vor der Bühne. Als Joshua Homme schließlich mit den letzten Worten des Filmes seinem Idol und Kooperationspartner dankt und ihn dabei ein einziges Mal mit bürgerlichem Namen adressiert, da hat das etwas erstaunlich Intimes. Es sind derartige Zwischentöne, die „American Valhalla“ aus der Masse der Konzert- und Banddokumentationen herausstechen lassen. Lieblos ist anders.
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