Vor gut zehn Jahren kamen IF THESE TREES COULD TALK in einem Keller in Akron im US-Bundesstaat Ohio zusammen und sind seitdem als Post-Rock-Kapelle unterwegs. Der selbstbetitelten 2006er EP folgte drei Jahre später das Debüt „Above The Earth, Below The Sky“, wiederum drei Jahre danach das Zweitwerk „Red Forest“. Beide Alben wurden in Eigenregie im mittlerweile zum Studio umgebauten Gründerkeller aufgenommen und auch beim Vertrieb verfolgte die Band einen strikten DIY-Ansatz. Für ihr drittes Album, welches just in diesen Wochen aufs Band gebracht wird, wurde der Band schließlich ein Deal von Metal Blade Records angeboten – IF THESE TREES COULD TALK nahmen an.
Da die Vorgängerwerke derzeit vergriffen sind, legt das Label die beiden Platten quasi als Begrüßungsgeschenk und für alle Fans der Band noch einmal neu auf. Grund genug für unsere beiden Post-Rock-Experten Alex Klug und Anton Kostudis, sich die beiden Scheiben im Kurzcheck (Sound, bester Songs, Tops & Flops und Fazit) vorzunehmen.
Sound „Above The Earth, Below The Sky“ (2009):
Die Abmischung ist gut, vor allem die Clean-Gitarren klingen schön organisch. Gleiches gilt für die Drums (Aufnahmeleiter Zack Kelly ist auch Schlagzeuger der Band – vielleicht deswegen). Allerdings stimmen zwischen cleanen und verzerrten Klampfen die Verhältnismäßigkeiten manchmal nicht: Die harten Parts wirken oft wie ein Fremdkörper im Song, weil sie zu leise, zu laut, zu spitz oder zu blechern klingen. Dies könnte allerdings auch eine Frage des aufgenommenen Gitarren-Signals oder der Effekte und Amps sein, die bei den Recordings verwendet wurden – so oder so aber ein klarer Minuspunkt. Fazit: Insgesamt ok. Wie sieht’s bei dir aus, Kollege? (Anton)
Sound „Red Forest“ (2012):
Alles fresh hier drüben. Ob der Sound drei Jahre später irgendwie organischer ist – vermutlich schon. Besser produziert ist die Platte jedenfalls, das machen primär die zuvor bemängelten Clean/Zerrer-Wechsel deutlich. „Red Forest“ lebt ganz klar von dieser Abwechslung, die gesamte Gitarrenarbeit ist über die gesamte Spieldauer peinlich genau zwischen Delay-Overdose und inzwischen etwas voller klingenden Distortions-Channels aufgeteilt. Das kann man schon so machen, das ist durchaus rund, lässt den Hörer aber manchmal verpennen, wo der eine Song endet und der andere beginnt. Was bei Post-Rock aber ja auch mal was Gutes bedeuten kann. „Red Forest“ ist sicherlich nicht nur für mich die stärkere Scheibe von IF THESE TREES COULD TALK, der ein oder andere Ausbruch des Vorgängers hätte dem nun wesentlich homogeneren Mix aber sicherlich gut getan. (Alex)
Bester Song „Above The Earth, Below The Sky“:
Wohl der letzte: „Deus Ex Machina“. Weil er etwas anders ist als der Rest, irgendwie charaktervoller und markanter. Der Song besteht letztlich aus einer schönen, simplen Melodie, vorgetragen von Clean-Gitarren und ohne großen Firlefanz. Zudem hat der Track unglaublich Flair. Auch „What’s In The Ground Belongs To You“ überzeugt. Sahnehäubchen auf dem Song ist die melancholische, verträumte Melodie zu Beginn – wunderbar. (Anton)
Bester Song „Red Forest“:
Ohwei, gute Frage. Kann man irgendwie sagen „es klingt alles gleich“, ohne dass es abwertend daherkommt? Ist eben stabile Mucke aus einem Guss. Der Titeltrack kann was, ebenso „Barren Lands Of The Modern Dinosaur“ (kinderfreundlichere Variante zu NILE-Songtiteln). (Alex)
Top „Above The Earth, Below The Sky“:
„Above The Earth, Below The Sky“ ist ein Album mit unglaublich vielen Details, die vor allem in den ruhigen Parts gut zur Geltung kommen. In vielen Momenten verspürt der Hörer die für ein Debüt typische Naivität. In diesem Fall ist das ein Plus. Die Platte hat zudem kaum Durststrecken, es passiert eigentlich immer irgendwas: viele Wendungen, aber auch das – natürlich erwartbare, aber sehr gelungene – Spiel mit Dynamik: Aufbauen, Steigern, Einreißen. Wie sich das für ein Post-Rock-Album eben gehört. (Anton)
Top „Red Forest“:
Kann man nur unterschreiben. Ein Satz wie „IF THESE TREES COULD TALK setzen ihren Weg konsequent fort” wäre hier aber nur halbwegs angebracht, eher kann man hier von einer klang- und arrangementmäßigen Perfektion des beibehaltenen Stils sprechen. „Red Forest“ lebt zu großen Teilen (ich sag’s auch gern noch einmal) von der Dynamik und somit geht das gute alte Post-Rock-Rezept auch hier voll auf: Je lauter gehört, desto eher betört. (Alex)
Flop „Above The Earth, Below The Sky“:
Irgendwie hat die Scheibe keine Identität. Es bleibt am Ende wenig hängen. Oder anders gesagt: ITTCT haben es nicht bewerkstelligt, dem Material ihre eigene Würze zu verleihen. Vieles klingt vorhersehbar. Am Ende ist die Scheibe genau das, was ich erwarten würde, wenn ich ein Post-Rock-Album hören wollte. Nicht mehr, nicht weniger. (Anton)
Flop „Red Forest“:
Hier kann ich mich dem Kollegen nur bedingt anschließen. Nein, die Post-Rock-Revolution gibt es auch auf dem Nachfolger nicht zu vermelden, andererseits habe ich auch keinerlei „Die klingen genau wie XYZ“-Satz auf Lager. Und auch wenn ich oben von einer stilistischen Perfektionierung spreche, so geht diese doch manchmal zu sehr auf Kosten der etwas braveren cleanen, melodischen Zwischenspiele – gewissermassen fehlt „Red Forest“ ein Hauch „Deus Ex Machina“. (Alex)
Fazit „Above The Earth, Below The Sky“:
Insgesamt eine Post-Rock-Scheibe von gutem Niveau, etwas Abzug gibt es beim Sound. Vornehmliches Problem ist aber, dass es ITTCT auf ihrem Debüt noch an Eigenständigkeit mangelt – was die Platte letztlich im Meer der Genre-Veröffentlichungen untergehen lässt. (Anton)
Fazit „Red Forest“:
Selbiges. Ich würde mir eine Kombination aus den melodischen Klarpassagen des ersten und der schichtenhaft-kombinierten Gitarrenarbeit des zweiten Albums wünschen. Und wenngleich das Leben angeblich kein Post-Rock-Wunschkonzert ist, so traue ich IF THESE TREES COULD TALK die kompositorische, spielerische und produktionstechnische Erfüllung dieses Wunschs im Zuge der neuen Platte doch bestens zu. (Alex)
Beide Alben können via Bandcamp gestreamt werden.
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