Hypno5e - A Distant (Dark) Source

Review

Die französischen Metal-Filmografen HYPNO5E hatten 2018 ein Luxusproblem: Mit (fast) nur hochgelobten Alben in ihrem Backkatalog musste der qualitative Einbruch irgendwann kommen. Dieser machte sich in Form von „Alba – Les Ombres Errantes“ bemerkbar. Die Platte sticht aber vor allem stilistisch aus der Diskografie der Franzosen um Kreativkopf Emmanuel Jessua hervor, weil sie mehr in weitestgehend akustische, Folk-nahe Sphären vorgedrungen ist und die Intimität des HYPNO5E-Sounds so gekonnt eingefangen hat. Als Soundtrack zum gleichnamigen von Jessua inszenierten Film allerdings geriet die Platte auch hier und da etwas langatmig.

HYPNO5E finden wieder zurück auf metallische Pfade

Die Folge: Auf „Alba – Les Ombres Errantes“ musste man die Exzellenz der Franzosen erst ein bisschen suchen, fand diese mit etwas Geduld dann aber auch nach und nach, sodass „Alba“ definitiv mehr ein Grower ist. Ein solches Experiment ist für eine Band natürlich immer wichtig und lehrreich, weshalb „Alba“ natürlich schon einen festen Sitz in der Diskografie der Band hat. Nicht so schwer macht das hier vorliegende Folgewerk „A (Distant) Dark Source“ seinen Hörern den ungezwungeneren Genuss, vor allem, wenn man mit dem Œuvre der Band vertraut ist. Mit dem neuen Album zeigen sich die Franzosen nämlich wieder von ihrer metallischeren Seite.

Genauer liefert die Band ihre bekannte, markante Kost, die Elemente von Djent und extremerem Metal, etwa vom Schlage der Landsmänner GOJIRA, in Post-Metal-typisches, stimmungsorientiertes Songwriting einarbeitet. Und besagtes Songwriting erhebt den Anspruch an sich selbst, eine filmografische Atmosphäre zu schaffen, wodurch die eingestreuten Spoken Word-Passagen auch einen festen, erzählerischen Sitz im Sound haben. Besonders erfrischend ist dabei, dass HYPNO5E keinen Freiraum für überzogenes, atmosphärisches Geplänkel lassen. Es passiert einfach in jeder Stimmungslage, die „A (Distant) Dark Source“ durchlebt, irgendetwas.

Zwischen filmreifer Melancholie und kantiger Härte

Große Melodien mit Hang zur Melancholie ziehen sich konsequent durch das Album und kommen mal feinsinnig und vielschichtig gewoben daher, um den Hörer warm in Empfang zu nehmen. Eindrücklich zeigt sich das bei „In The Blue Glow Of Dawn, Pt. 1“ oder „On Our Bed Of Soil, Pt. 1“. An anderer Stelle brechen sie dank des brettharten, rhythmusbetonten Riffings erbarmungslos auf den Hörer nieder wie in „A Distant Dark Source, Pt. 2“, während „A Distant Dark Source, Pt. 3“ mit einer etwas höheren Dosis dissonanter Math-Licks in Sachen Härte noch einen drauf setzt. Die kantigen Grooves verstärken die härteren Passagen ungemein und lassen die Riffs besonders schön in die Nackengegend fahren.

Doch unabhängig von der Intensität, mit der diese Melodien dargeboten werden, finden sie jederzeit einen Weg, um unter die Haut des Hörers zu krabbeln. So wirklich lassen sich beide Modi ohnehin nicht voneinander trennen, da diese dank des Songwritings immer wieder fließend ineinander übergehen, seltener sogar stimmungsvoll überlappen. Der Gesang von Jessua passt wunderbar dazu, wobei die in Mehrzahl vorhandenen Shouts gerne etwas gutturaler sein dürften. Aber das ist niveauvolles Meckern, zumal die Cleans durchweg sitzen. Und wenn gerade die Letzgenannten mehrstimmig über einen der sanfteren Parts daher geschwebt kommen wie in „On Our Bed Of Soil, Pt. 3“, dann darf man als Hörer schon mal ekstatisch abheben.

„A Distant (Dark) Source“ lässt den Hörer tief schürfen

Als nicht-frankophoner Hörer muss man hier natürlich wie auch auf den Vorgängerwerken eine wenn auch kleine Sprachbarriere überwinden, da neben der englischen auch die französische Sprache zum Einsatz kommt. Diese offenbart sich zuvorderst in den Spoken Word-Passagen. Insofern ist „A Distant (Dark) Source“ natürlich ein Album, für das man am besten das Lyric Sheet zur Hand nimmt, um es in seiner Gesamtheit zu würdigen. Es handelt sich hierbei um die eine Hälfte eines zweiteiligen Konzeptwerkes, das sich beim ausgetrockneten See Tauca in Bolivien abspielt und von einem Mann handelt, der dort nach den schattenhaften Spuren seiner Geliebten sucht.

Aber nicht nur in Sachen Inhalt dürfte man als Gelegenheitshörer aufgeschmissen sein: Wie auch die Vorgängerwerke ist „A Distant (Dark) Source“ aufgrund des verschachtelten Songwritings und seiner Fokussierung auf ein cineastisches Feeling kein Album für zwischendurch, sondern bedarf schon der vollen Aufmerksamkeit beim Hören. Sperrig ist der Sound an sich allerdings auch nicht direkt, auch wenn HYPNO5E ihre Songs mit zum Teil enormer Härte versehen. Die klare, saubere Produktion sorgt in den komplexen Tracks dankbarerweise für Ordnung und Struktur, ebenso wie die Tatsache, dass die drei längsten Stücke der Platte in je drei Tracks unterteilt worden sind.

HYPNO5E setzen musikalisch vor „Alba – Les Ombres Errantes“ an

Trotz aller Komplexität, aller Härte und der technisch anspruchsvollen Spielweise bleibt „A Distant (Dark) Source“ also so zugänglich, wie es der Sound eben zulässt, ohne dabei weich gespült zu werden. Die Riffwände sind so imposant wie eh und je, die großen Melodien türmen sich erhaben vor dem Hörer auf und obendrauf zeigen HYPNO5E wieder einmal ein geschicktes Händchen, wenn es um Dynamik geht. Damit bleibt die Band in ihren vertrauten, metallischen Fahrwassern, wobei erstaunlicherweise relativ wenig „Alba“ mitschwingt. Gegen Ende von „A Distant Dark Source, Pt. 2“ wird es mal etwas folkiger.

Die Musik der Franzosen bleibt also herausfordernd, bietet aber genügend Ankerpunkte, an denen man sich als Hörer festhängen kann. Das Album kann man im Hinblick auf die früheren Alben der Band ein Stück weit als „More of the same“ abfrühstücken. Andererseits: Solange dies derart eindringlich und wuchtig in Szene gesetzt wird, nimmt man das gerne an.

18.11.2019

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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