Humavoid - Lidless

Review

Chaotisch und unvorhersehbar erscheint der Progressive Metal, mit einer riesigen Abstraktionsvielfalt. Umso schwieriger stechen einzelne Künstler aus der Masse heraus. HUMAVOID wählen auf “Lidless“ einen aggressiven, verspielten Stil. Anders als der Vorgänger “Faster Forward“ trumpfen die Finnen jetzt mit härteren Tönen auf, blieben aber musikalischen Experimenten treu.

HUMAVOID im Angesicht des Chaos

Am Anfang fachen HUMAVOID mit unvorhersehbaren Tempowechseln das Feuer an. Fast unheimlich begleiten Keyboard und Drums die schmetternden Riffs. Trotzdem gehen die Instrumente ihren eigenen Weg, schaffen aber eine aufbauende Harmonie.

HUMAVOID setzen stark auf Atmosphäre. “Aluminium Rain“ leitet von plärrenden Synthies zu einem meisterhaften Pianospiel über. Für jenes ist der finnische Jazzpianist Iiro Rantala verantwortlich. Zeitgleich marschiert der Bass im Gleichschritt nebenher. Das Zusammenspiel zwischen Djent und groovigen komplexen Riffs erfolgt währenddessen wie geschmiert.

Der sanfte Gesang aus dem Vorgängeralbum musste nun mächtigen Shouts weichen. Auf “What You Hide“ gelingt es Suvimarja Halmetoja zwischen klarem und aggressivem Gesang problemlos zu wechseln.

“Lidless“ ist herausfordernd

Dass MESHUGGAH hier einen größeren Einfluss hatten, ist unverkennbar. Doch HUMAVOID gehen einen individuellen Weg. Mit Keyboard- und Pianogeklimper brechen die ohnehin schon komplizierten Strukturen immer wieder auf.

Denn “Lidless“ stellt Hörende vor Herausforderungen. HUMAVOID verlieren oft den Songfaden. Besonders “Undercurrent“ und “Drywall Cracks“ machen ein entspanntes Durchhören unmöglich. Zu häufig entartet die Musik in wirre Breaks. Und genau das macht “Lidless“ so stark.

Voller Leere – HUMAVOID

HUMAVOID machen ihrem Namen alle Ehre und thematisieren die tiefste Leere der Menschheit. “Fortune For Demise“ hinterfragt die Ideologie des Fatalismus. Dabei entstehen indirekte Bezüge zu kirchlichen Glaubensrichtlinien. Diese drücken das Individuum in eine unpassende Form und verlangen Gehorsam.

Die Lebensqualität erhält dadurch Einschränkungen und belastet die Psyche. So lange bis wirklich keine Chance der Selbstentfaltung mehr besteht. Übrig bleibt eine gebeutelte leere Hülle.

Genauso führt “Matter“ den Gedanken weiter aus. Vollkommen verzweifelt stellen HUMAVOID das lyrische Ich vor. Dieses scheint frei von Emotionen und voll mit ungeordneten Gedanken. Eine Art Identitätskrise im Bezug auf das eigene Geschlecht.

Ab der Texthälfte schwindet die Ich-Perspektive. Die Frage nach der Definition des Lebens und Freiheit steht im Raum. Sowie die Ignoranz von Teilen der Gesellschaft, die andersdenkende denunziert. Der Track kritisiert Intoleranz und den Druck, unter dem Betroffene leiden.

Nach dem Gemetzel

HUMAVOIDs Charakter überzeugt. “Lidless“ besitzt eine experimentelle Note und nutzt das Chaos zum Vorteil. Umso schwerer zwischen alldem Wirrwarr nicht den Kopf zu verlieren. Die Band druckt visuell und lyrisch das ab wofür sie steht. Nämlich Abstraktion in Kombination mit der menschlichen Leere. Wer verzweigte Strukturen liebt, hat hier eine neue Band gefunden.

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15.08.2020

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4 Kommentare zu Humavoid - Lidless

  1. Schraluk sagt:

    Mucke finde ich richtig gut, Meshuggah trifft auf Haken trifft auf DJent-Gedöns. Aber der Gesang? Geht überhaupt nicht. Da ist nix entsprechend der Musik druckvoll, ihre Stimme hat keinen Ausdruck und das halten der Töne scheint auch schwierig zu sein. Substanzlos. Wie bereits bei Unleash The Archers diskutiert, wird auch bei mir eine Platte in der Bewertung stark durch den Gesang, die Art des Growlens oder Schreiens, beeinflusst. Der ist hier gar nix. Britney Hayes schafft es teilweise eher mittelmäßiger Musik einen trotzdem eigenen Stempel aufzudrücken und sie deshalb ein Stückweit besonders zu machen. Bei Humavoid scheint das dann eher andersherum zu verlaufen. Schade um die Mucke.

  2. CrispyOrSoft? sagt:

    Humavoid waren mir bisher gar kein Begriff und ich muss gestehen, dass ich nicht gerade zur Zielgruppe gehören dürfte.

    Im generellen gefällt mir das instrumental allerdings wirklich gut. Aber wie bereits erwähnt wurde, machen die Vocals das ganze völlig zunichte. Nahezu unerträglich. Schade!

  3. poshmit sagt:

    Nahezu unterträglich finde ich zu hart!
    Stell dir vor, dein Chef sagt dir, dass du nahezu unterträglich schlechte Leistungen bringst.
    Zunächst: die Mucke ist sehr geil… subjektiv.
    Der Gesang im verlinkten Video ist eher mäßig… in den Anfangsminuten… Gehe ich d’accord.
    Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob das künstlerische Freiheit ist 😉
    Nach mehrmaligem Hören, finde ich es verbesserungswürdig, aber iwie doch gut! ^^

  4. CrispyOrSoft? sagt:

    Das ist natürlich nur meine rein subjektive Meinung. Sicher gibt es Zuhörer, die dem etwas abgewinnen können und bei denen sich dieses seltsame Zusammenspiel in Gehör festsetzt.

    Für mich allerdings ist die Lust auf mehrmaliges Hören schon nach dem ersten Mal dahin, konnte auch das Album, welches ja an Freitag erschien, nicht zum Schluss durchhören. Aber ich gehöre sicher auch nicht zur Zielgruppe, daher auch keine Wertung.