Hovert - Omyt

Review

Je nach Betrachtungsweise könnte es keinen besseren oder schlechteren Zeitpunkt für die Veröffentlichung eines düster-depressiven Black-Metal-Albums geben als den späten Herbst anno 2020. Wenn man für diese Kunstform ein unvoreingenommen offenes Ohr hat, dann fährt “Omyt” mit dem zarten Opener “Antinatalism I” sofort ein. Ist man aber anfällig für Müßiggang und Schmerz, kann einen die Musik an den äußersten Rand eines Alptraumes drängen.

Da quälen sich leicht verstimmte Gitarren und ein schleppender Beat durch knappe sieben Minuten, wobei insbesondere das markerschütternde Gekrächze von Sänger Alever tiefe Wunden in die Seele schneidet – und zwar mit einer rostigen, stumpfen Klinge.

HOVERT bringen Dunkelheit im Wachzustand

“Antinatalism II” hängt dem Song-Geschwisterchen mit Celloklängen als Interlude an und vermittelt dabei reine instrumentale Bedrohung. Das gelingt wirklich sehr gut, denn man befindet sich sogleich in einem tranceartigen Zustand, während sich ein tiefschwarzes Loch vor dem geistigen Auge öffnet.

Der Wahnsinn schleicht sich mit “Pendulum I” weiter subtil ins Unterbewusstsein. Der geradezu kunstvoll inszenierte Auftakt verliert mit dem einsetzenden Gesang jegliche Schönheit, gleichzeitig bleibt der Song entzückend. Es ist diese Ambivalenz, die den Hörer durchhalten lässt. Immer wieder berühren Melodiebögen, die von klagenden Rufen und bitterem Geheule begleitet werden. Oft wird man von abartigen Schreien in Angst und Schrecken versetzt, so unvermittelt setzen sie ein.

“Omyt” frisst sich tief ins Fleisch und hinterlässt klaffende Wunden

“Pendulum II” offeriert mit klassischen Arrangements einen mittelalterlichen Touch, wobei sich kein besserer Soundtrack für das dunkle Zeitalter finden ließe. Immer wieder finden auch Synthesizer ihren Einsatz, wenn auch nie zu aufdringlich. Alles bleibt verschwiegen und träumerisch, zugleich aber ätzend und tiefschürfend. Das hat mit Trinkhorn-Viking-Metal nichts zu tun.

“Omyt I” leitet mit Black-Metal-typischer Gitarre ohne jegliche Höhen das Grand Final eines kurzweiligen Albums ein. Wie gesagt, die Musik verschleppt den willigen Hörer an einen dunklen Ort, um ihn dort in eine Kiste zu werfen und lebendig zu begraben. Dieses beklemmende Gefühl verschwindet auch nach den letzten Tönen erstmal nicht.

Totgehörte leben länger

Das Album ist konzeptionell in Paarreimen aufgebaut, wobei die vermeintlich zusammengehörigen Stücke ohne Weiteres für sich stehen können. Auch fortgeschrittene Hörer sollten der Scheibe mehr als einen Turn zugestehen, denn dann kann sich die volle Wirkung entfalten – mit allen unerwarteten Abzweigungen.

Alles in allem übertrifft “Omyt” die beiden Vorgängeralben in Sachen Inszenierung und Tiefenwirkung noch einmal und wird lange nachbrennen. Indes wird der größte Teil der Weltbevölkerung diese Art des Black Metal weiterhin als kranken Lärm beschreiben.

04.12.2020

Left Hand Path

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8 Kommentare zu Hovert - Omyt

  1. Lord Budweiser sagt:

    Wow! Was da an Potenzial drin steckt ist schon beeindruckend. Für meinen Geschmack fehlt noch die eine Schippe um bei den ganz großen mitspielen zukönnen… aber auch so eine echte Empfehlung zum Jahresende. Postige Atmosphäre (die russen können es einfach) mit immer wieder klug eingebauten ruhigen Momenten in Form von Streichern und Akustikklampfe. Wenn das noch weiter ausgebaut wird sind die zehn auf jeden fall drin.

  2. MetalGerhardt sagt:

    Herrlich, was hier für eine Melancholie transportiert wird!
    Das ist nicht das üblige Suicide/Depressive-Black-Metal-Gedöns. Hier gibt es echte Melodien und das Geheule des „Sängers“ passt ausnahmsweise mal richtig gut. Gefällt mir gerade instrumental sehr gut dieses Album, wobei es vom Tempo her schon fast in den Doom-Bereich passt.
    Kann einen echt herunterziehen, aber die Melodien besitzen unfassbar schöne Melancholie. Heftiges Teil!

    9/10
  3. elLargo sagt:

    Grandios! Es ist finster, albtraumhaft verträumt, melodisch, melancholisch, atmosphärisch und rau ohne jegliche Blast Beat Kaskade. Der Gesang passt perfekt verzweifelt. Depressive Post Black Metal vom Feinsten.
    Hätte von mir aus noch 20 min länger sein dürfen.

    9/10
  4. nili68 sagt:

    Wie kann man bei dem Gesang ernst bleiben und selten was Langweiligeres gehört. Wenn man nicht ständig kurz davor wäre einzuschlafen, müsste man lachen. Die uninspirierten Melodien lagen wohl auch in irgend ’nem versifften Hinterhof rum, die selbst ’ne Schülerband aus 12 Jährigen weggeworfen hat.

  5. Lord Budweiser sagt:

    Definitiv… Man muss sich drauf einlassen können, wie eigentlich immer wenn es um Black Metal geht (und depressive sowieso). Kannst du anscheinend nicht, daher die Belustigung über den gesang. Schade eigentlich… Find das hier wirklich gelungen, wenn auch (wie alles was heute noch rauskommt) wenig inspirierend

  6. Lord Budweiser sagt:

    Findest du Bethlehem eigentlich auch belustigend? Würd mich einfach mal interessieren…

  7. nili68 sagt:

    Hab‘ die mal irgendwann gehört, ohne bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
    DSBM kann schon gut sein, z.B. Afsky oder Woods of Desolation und bestimmt noch mehr, aber eben das hier nicht. Man muss aber auch bei BM oder sogar DSBM noch erkennen, dass die Musiker das Konzept Musik als solches schon verstanden haben. Mir ist schon bewusst, dass es darum geht, so abstoßend und lebensfeindlich wie möglich zu klingen, aber irgendwann klingt es dann, gewollt oder nicht, einfach albern und dilettantisch.

  8. Lord Budweiser sagt:

    ,,DSBM kann schon gut sein, z.B. Afsky oder Woods of Desolation und bestimmt noch mehr, aber eben das hier nicht.“
    Deine Meinung! Ich finde steht den von dir genannten in nichts nach, musikalisch aber doch etwas anders. Klar ist aber auch das alle drei nicht das Maß aller Dinge in dem Genre darstellen. Da hat Bethlehem mit Dictius de Necare eine ganz andere Qualität, genauso wie Lifelover oder Shining… Das meinte ich mit dem satz ‚um bei den ganz großen mitspielen zu können…‘.