Das Langspieldebüt von HOULE fällt unter jene Alben, die einem angesichts der schier unüberschaubaren Veröffentlichungsflut trotz hoher Qualität irgendwie durchs Netz gegangen sind. Zum Jahresende wurde das bereits im Juni veröffentlichte „Ciel Cendre et Misère Noire“ aber doch noch bei uns angespült. Darauf bewegt sich die Band aus Paris zwischen melodischem Black- und Death Metal mit ein paar interessanten Eigenheiten.
HOULE besingen die weite See
Da wäre zunächst das maritime Konzept; HOULE bedeutet zu Deutsch nämlich so viel wie „Seegang“ und sämtliche Texte der französischen Truppe beschäftigen sich in irgendeiner Form mit dem Meer oder der Seefahrt. Entsprechend treten HOULE statt in den gängigen Szeneuniformen mit Friesennerz und Gummistiefeln als verfluchte Crew eines havarierten Geisterschiffs in Erscheinung. Mal was andres als Corpsepaint oder schwarze Kartoffelsäcke.
Doch nicht nur konzeptionell tanzen HOULE ein wenig nach ihrem eigenen Takt. Von Anfang an bestimmt die eigenwillige Gesangsdarbietung von Frontfrau Adsagsona das Bild maßgeblich mit. Neben giftigem Black-Metal-Gekeife setzt die Kapitänin nämlich auch auf gespenstisches Flüstern, entrückten Sprechgesang und Schreie, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Fast könnte man meinen, hier wäre tatsächlich eine auf See verlorene Seele den dunklen Fluten entstiegen, um den Lebenden ihr Leid zu klagen.
Das Grauen kommt aus der Tiefe
Instrumental geben sich HOULE überaus melodisch und kreuzen unbekümmert in den Gewässern zwischen Black- und Death Metal, wobei man atmosphärisch deutlich gen Schwarz tendiert. Inspiration besonders aus Schweden ist dabei erkennbar, jedoch nicht übermächtig. Klar, die Leads in Stücken wie „La Danse Du Rocher“ oder „Mère Nocturne“ transportieren bisweilen Göteborg-Vibes, während unter anderem bei „Sel, Sang Et Gerçures“ finstere Gesellen wie DISSECTION und NECROPHOBIC unter der Wasseroberfläche erkennbar sind.
Diese Einflüsse bleiben aber letztlich genau das, denn HOULE setzen auch immer wieder eigene Impulse, indem sie an den richtigen Stellen das Tempo rausnehmen und auf dichte Atmosphäre setzen. Im Mittelteil von „Sur Les Braises Du Foyer“ etwa gibt Adsagsona zu einer schaurigen Melodie in verstörender Tonlage einen Kinderreim zum Besten. Und nachdem kurzzeitig wieder die Raserei einkehrt, endet das Stück schließlich auf einer shoegazigen Note.
„Ciel Cendre et Misère Noire“ ist bemerkenswert eigenständig
Dagegen wirkt „Derrière l’horizon“ fast schon beschwingt und auch die Gitarrenarbeit erinnert passenderweise ein wenig an RUNNING WILD. Zum Abschluss ziehen HOULE beim Longtrack „Née Des Embruns“ mit Meeresrauschen, Akustikgitarren und geisterhaften Samples nochmal alle Register in Sachen Kopfkino, bevor sich der Song langsam zu einer epischen Schwarztod-Sturmflut auftürmt und schließlich genauso unwirklich ausklingt, wie er begonnen hat.
HOULE ist mit „Ciel Cendre et Misère Noire“ ein überaus stimmiges Album gelungen, welches für ein Debüt schon eine bemerkenswerte Eigenständigkeit an den Tag legt. Das Konzept weicht erfrischend von gängigen Genre-Klischees ab, während auf musikalischer Seite besonders der am Wahnsinn kratzende Gesang als Alleinstellungsmerkmal fungiert. Das Songwriting gestaltet sich ebenfalls dynamisch, wenngleich man hier und da noch ein paar mehr Hooks versenken könnte. Insgesamt ein bockstarker Langspieleinstand, der viel mehr Aufmerksamkeit verdient hat.
Meine Neuentdeckung des Jahres. Die vorangegangene EP gefällt mir einen Ticken besser, trotzdem bockstarkes Debutalbum.
Hab sie live entdeckt und auch da machen sie eine großartige Figur, vor allem der Gesang ist live nochmal eine Ecke bösartiger.