Angesichts der aufgekeimten (und möglicherweise wieder abgeebbten) Synthwave-Welle kann man sich ja schon fragen, warum wir in dieser Zeit nicht von Bands überflutet worden sind, die sich die metallischen Aspekte des Genres herausgepickt und damit den Elektro- bzw. Industrial Metal verjüngt haben. Oder sie taten es und waren entweder so schlecht, dass sie direkt wieder untergingen, oder sie keimten im Untergrund, nur hörbar für jene, die auch wirklich auf Trüffelsuche gingen. LION’S DAUGHTER kommen unsereins in den Sinn, die das Ganze mal mit ihrem Album „Skin Show“ durchexerziert und dabei eine ziemlich solide Figur gemacht haben, hiernach allerdings auch wieder ein paar Genres weiter gerudert sind. GOST ist noch so ein Name, der da im Gedächtnis herumgeistert. HORSKH aus Frankreich verschreiben sich nun ebenfalls dieser Idee. Oder zumindest sind sie schon einige Male an der Seite von Acts wie PERTURBATOR und CARPENTER BRUT aufgetreten – das will ja was heißen, oder nicht?
Gibt es etwa endlich neues, zünftiges Industrial-Metal-Futter?
Das zu besprechende, dritte Album der Franzosen hört auf den Namen „Body“ und wird laut Presseinfo dem Subgenre Neo-Industrial zugeschrieben. Wer sich fragt was genau das bedeuten soll, findet die Antwort in prozessierten, verzerrten Drumbeats, Synths und Gitarren, die eine straffe, angemessen düstere Einheit bilden. Das hier ist weniger MINISTRY-Industrial und mehr so die Ecke Metal-lastiger NINE INCH NAILS, STATIC-X und früher ROB ZOMBIE mit ein paar PAIN-Momenten hier und da. Das Ganze klingt trotz einer ausgeprägten Elektro-Komponente ziemlich heavy und druckvoll, was vor allem der gnadenlos pumpenden Rhythmusmaschinerie zu verdanken ist, bei der Organik und Automatik eine ziemlich volatile Symbiose einzugehen scheinen. Wenn dann noch atonale Licks hinzukommen wie in „Interface“, ist der Vormarsch der Maschinen unter Skynet praktisch kaum noch aufzuhalten.
Fast ironisch scheint es dann, dass das menschlichste Element in dieser Mische der Gesang von Fronter Bastien Hennaut ist, der so klingt, als würde man wechselweise Chino Moreno, Chris Harms und Chester Bennington (möge der Herr ihn selig haben) mit den über 30 Jahre angestauten, emotionalen Fundus des Trent Reznor ausstopfen. Der Mann ist praktisch der Matchwinner der Formation, seine Darbietung lässt kaum etwas an schweißtreibender Intensität missen und geht speziell bei Cuts wie dem stringent in die Fresse groovenden „Do It“ oder dem fies mit Offbeat-Synths nach vorn marschierenden „Turbine ON“ in Mark und Bein. Besonders hervorzuheben ist seine Fähigkeit, zwischen Moreno-artigem Genöle, Harms’schem Geschmachte und inbrünstigen Gesangslinien á la Benningten mühelos hin- und herzuschalten, nur um mittendrin einfach in einem Feuerball aus Aggression zu explodieren.
HORSKH sind mit „Body“ definitiv auf dem richtigen Weg
Er ist auch das Element, das HORSKH in ihren eindimensionaleren Momenten im Rennen hält, die sich vor allem in der zweiten Albumhälfte tummeln. Denn so ästhetisch ansprechend der druckvolle Industrial-Stampf hier auf „Body“ auch ist, er gerät eben manchmal etwas unbeholfen wie in „Distorted Again“ mit einem hakeligen, unschönen Stop-and-Go-Rhythmus, dessen Highlight Hennauts Refrain ist, in dem er den Songtitel einfach nur herrlichst aus der Kehle kotzt. Immerhin unternimmt er mit einer punkigen Hook den Versuch, den flachen Rocker „Laying Down In The Mud“ zu retten. Der Trost dafür ist, dass der Rest der Trackliste mehr als solide ist. Nicht jeder Song ist ein Kracher, aber das meiste bleibt im Kopf hängen, seien es gelungene Hooks („Do It“), konsequente Elektro-/Industrial-Intonierung („Body Building“) oder gar der verstörende, atmosphärische Rausschmeißer „It Spreads“.
Um den Bogen zur Einleitung zu schlagen: Wirklich konsequent adaptieren HORSKH den Synthwave jetzt nicht unbedingt. Aber sie setzen ihren Industrial Metal mit ordentlich Elan um und machen sich dabei moderne Synth-Gepflogenheiten stilvoll zu eigen. Dass man dabei keine Scheu davor zeigt, härtere Saiten aufzuziehen, gibt zusätzliche Pluspunkte. Die paar Abzüge in der B-Note können die Herren bei dem Elan, den sie an den Tag legen, gut verkraften, wenn sie mit der Intensität weitermachen und an ihrer Vielseitigkeit arbeiten. Die Türen stehen ihnen jedenfalls offen in diverse Richtungen. Vielleicht mehr Synthwave? Vielleicht noch mechanischere Rhythmus-Festungen? Vielleicht sogar ein richtig düsteres Industrial-Epos? Wer weiß, wo es die Franzosen noch hinführen wird. „Body“ ist jedenfalls ein mehr als gelungener Ausgangspunkt für weitere Entwicklungsschritte, die ihren Sound in hoffentlich noch aufregendere Richtungen lenkt.
Kommentare
Sag Deine Meinung!