Horrendous - Ontological Mysterium

Review

Wenn es um Death Metal geht, kann man sich darauf verlassen, dass es manch eine US-amerikanische Band einfach drauf hat, Old School-Ästhetik in kreativer, progressiver Manier mit interessanten Songwriting-Ideen in Einklang zu bringen. Einen extremen Eindruck dessen kann man sich bei vielen Erzeugnissen aus dem New Yorker Raum verschaffen, wo sich Bands wie AFTERBIRTH oder ARTIFICIAL BRAIN kreativ austoben. Man muss hier teilweise aber schon echt hart im Nehmen sein, um da durchzusteigen, vor allem immer dann, wenn der Name Colin Marston auftaucht. Deutlich einfacher machen es einem da die Philadelphier HORRENDOUS, die ihrem progressiven bzw. eklektischen Death Metal ein relativ klassisches Korsett überstülpen, das sie dann halt in die progressive Umlaufbahn schießen.

„Ontological Mysterium“ baut den VOIVODian Death Metal der Philadelphier weiter aus

Das machen die US-Amerikaner auf „Ontological Mysterium“ mittlerweile zum fünften Mal in voller Länge, dicht auf den Fersen des zum Zeitpunkt des Verfassens auch schon fünf Winter zählenden „Idol“, dem der Vorredner Herr Thorbrügge eine zu hohe Sperrigkeit attestierte. Diesen „Makel“ bauen die US-Amerikaner auf „Ontological Mysterium“ nur noch weiter aus hin zum Punkt, dass man das Album in gewisser Weise als Wolf im Schafspelz betrachten kann, der sich in besagter, wolliger Tracht aber pudelwohl fühlt. Dieses Bildnis hinkt zugegeben etwas oder wirkt wenigstens ohne angemessene Kontextualisierung fehlleitend. Was damit gesagt sein soll, ist, dass „Ontological Mysterium“, das hier vorliegende, neue Album der US-Amerikaner, wie ein Death-Metal-Album klingt, das allerdings viel lieber ein klassisches Prog-Werk wäre.

Die nach wie vor vorherrschenden DEATH- und DISMEMBER-Einflüsse mit vereinzelten „Heartwork“-CARCASS-Anleihen hier und da, die mindestens schon auf dem oft als Referenzwerk der Band genannten „Anareta“ auftauchten, halten „Ontological Mysterium“ aber stets fest im wenn auch weißgott nicht derb aufstampfenden Death Metal, der stattdessen lieber einprägsame Melodien oder interessante, wenngleich nicht zu ausgefallene Songwriting-Schlenker sprechen lässt. An anderer Stelle wurde mal die Phrase des VOIVODian Death Metal geprägt und das passt im Bezug auf „Ontological Mysterium“ irgendwie ganz gut, zusammen mit einem Vergleich mit den leider bereits verblichenen MORBUS CHRON.

HORRENDOUS wechseln mit traumwandlerischer Sicherheit zwischen traditionellem Todesblei und progressiver Eklektik

Man addiere dazu noch stilistische Fragmente von diversen anderen Bands, darunter die wehmütig trillernden Schlenker balladesker METALLICA aus den Spätachtzigern/Frühneunzigern („Preterition Hymn“) sowie einige psychedelischere Gitarren-Arabesken á la PINK FLOYD und so langsam kommt man dem Sound von „Ontological Mysterium“ näher, bei dem die Devise scheint, dass ein reguläres OS-Death-Metal-Album versucht, mehr als nur die Summe seiner Teile zu sein. Und was soll man sagen: Die Rechnung geht auf. „Ontological Mysterium“ ist ein ziemlich eigenständiges Biest, das in gewisser Weise klassisch OPETHsches Songwriting emuliert, ohne in irgendeiner Weise direkt nach OPETH zu klingen.

Das Ergebnis ist ein ziemlich abwechslungsreiches Ding, das zu Beginn etwas zerfahren anmuten mag, so als wollten HORRENDOUS zu oft zu viel auf einmal. Die dramatischen Sensibilitäten hinter dem Songwriting von „Ontological Mysterium“ offenbaren sich erst nach und nach, wenn man sich als Hörer mehr als nur einmal durch die lateral gestrickten Songs durchgearbeitet hat. Oft genug bildet der klassische, melodische Death Metal der feisteren Art den Kitt zwischen den mehr nach klassischem Prog – um nicht zu sagen: Steve Howe’schen Death-Metal-Symphonien klingenden Phrasen. Die Songs folgen kaum klassischen Hook-orientierten Strukturen, auch wenn sie ausreichend eingängige Ankerpunkte für die Hörerschaft bieten.

Die US-Amerikaner schaffen einen lateralen, intuitiven Sound

Gleichzeitig hält eine für den klassischen Todesblei generell eher uncharakteristische Lockerheit Einzug, die dem hier Gehörten eine fast Jam-artige Attitüde verleiht, fast als würden die Songs just im Moment des Hörens entstehen. Oftmals scheinen sich die Motive und Phrasen mehr so aus dem musikalischen Kontext zu ergeben, referenzieren aber in Wahrheit im Vorfeld vorgestellte Elemente des jeweiligen Stückes. Das lässt sich zum Beispiel im Titeltrack recht eindrucksvoll beobachten, in dem das recht markante Hauptriff zu Beginn des Stückes später wieder aufgegriffen wird, aber eben erst, nachdem der Song einen ausladenenden Exkurs durch mehrere andere Motive unternommen hat. Dann gibt es noch Songs wie „Neon Leviathan“, bei denen HORRENDOUS ihre Hörer einfach nur mit Wonne, aber auch wiederum mit ausreichender, songschreiberischer Sensibitlität schwindelig spielen.

Wer „Idol“ wie Kollege Thorbrügge noch zu sperrig fand … wird „Ontological Mysterium“ vermutlich nicht viel besser finden. Wer wie unsereins aber genau diesen Scheiß braucht, wird auch dieses neue HORRENDOUS-Album mit begieriger Lust verschlingen. Mehr vielleicht als je zuvor klingen die US-Amerikaner nach einer Prog-Band, die zugleich aber ihren Todesblei-Wurzeln treu bleibt. Mindestens haben die US-Amerikaner mit „Ontological Mysterium“ ihren eigentümlichen Eklektizismus in Stein gemeißelt und einen Schritt weiter in Richtung Perfektion getrieben. Dieser Eklektizismus muss angesichts des weniger zyklisch und mehr lateral gestalteten Songwritings natürlich auch erst einmal ergründet werden. Ist diese Hürde auf Hörerseite aber erst einmal genommen, fällt es dann  umso schwerer, sich von „Ontological Mysterium“ loszusagen.

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19.08.2023

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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16 Kommentare zu Horrendous - Ontological Mysterium

  1. destrukt. sagt:

    Horrendous zementieren auch heuer wieder ihren Status als einer der relevantesten Vertreter des progressiven Extrem Metals der letzten Dekade. Genre-technisch fußt das ganze mMn dieses Mal allerdings deutlich mehr im Bereich des progressiven/techno-Thrash im Sinne von Watchtower, Voivod oder Anacrusis denn im DM. Selbstverständlich sind auch wieder spät-Ära Death, Atheist oder Nocturnus Anleihen vorhanden, aber die Grenzen vom techno-Thrash sind da zugegebenermaßen auch sehr fließend. Ich muss dem Autor uneingeschränkt recht geben, wenn er sagt, dass sich die Songs im Prinzip wie eine live Jam-Session anfühlen, das war auch exakt mein erster Gedanke. Die Songs sind dadurch extrem lebendig, wenn auch viele Start-Stop-Elemente drin sind, die den Fluss etwas stören. Und das ist letzten Endes auch das Hauptmanko des Albums, dass es keine wirklich fließende Einheit bietet und man den Eindruck hat, die Songs stehen alle für sich alleine. Der Eindruck verstärkt sich auch dadurch, dass jeder Song unterschiedliche Elemente mit hinzu nimmt, seien es die bereits bekannten NWOBHM Gitarren, Stadion-Rock Anleihen ala Van Halen oder auch mal BM Tremolos, das einzige verbindende Element bleibt der Thrash bzw. DM Unterbau. Möglicherweise verflüchtigt sich dieser Eindruck aber auch mehr Hördurchgängen. So oder so reihen hier Horrendous einen „fawk yöör“ Moment an den anderen und jeder Hördurchgang wird gleichzeitig eine Entdeckungsreise (The Proclaimers Background Chor in Preterition Hymn? Check.) und daher sollte man viel weniger drüber reden, als einfach wieder repat drücken.
    Als letztes sei noch die wie immer großartige Produktion erwähnt.

    9/10
  2. ClutchNixon sagt:

    Schön, dass noch jemand die Begrifflichkeit Techno-Thrash bemüht! In der Tat hab ich beim Hören ebenfalls an Anacrusis und Spiral Architect denken müssen. Sänger, wie Alan Teccio würden der Mucke die Krone aufsetzen und die Band bekäme einen Punkt mehr von mir.

    7/10
  3. deadguy sagt:

    Interessant das der Name Vektor noch nicht gefallen ist, an die muss ich nämlich denken, ich mag den Gesang so wie er ist. In die neue muss aber noch reinhören, die Idol ist aber großartigst er vor kurzem wieder gehört.

  4. Watu sagt:

    Ziemlich geil, was Horrendous hier abliefert, äußert facettenreich und doch klingt alles wie aus einem Guss. Dennoch ist es nichts, was mir allzu oft anhören würde, liegt es am Trash Anteil? Ich weiss nicht so recht.
    Ansonsten weiß ich zwar was ihr hier mit Techno meint ist, die letzten echten „Techno-Beats“ die ich bei einer Metal Band gehört habe, waren auf Samaels Passage zu hören.

  5. deadguy sagt:

    Techno steht für technical in Techno Thrash.

  6. Watu sagt:

    Könnte mir echte Techno Beats bei experimentellen Metal Bands auch gut vorstellen, nicht nur bei den extremen Sachen. Z.B. bei Imperial Triumphant oder bei der neuen Dødheimsgard, wäre das hier und da nicht schlecht gekommen, anstatt dem langweiligen Schlagzeug. Aber der Schlagzeuger soll ja nicht arbeitslos werden. ;))

  7. destrukt. sagt:

    Finde die Vocals auch perfekt für den Stil. Hätte ich mir nicht zuletzt auch für Voidceremony gewünscht. Dennoch find ich die Idee mit Alan Teccio durchaus nachvollziehbar und kann mir sehr gut vorstellen, dass der Nachfolger sogar komplett im reinen progressive Metal fußt.
    Aber 7 Punkte Clutch? Also bitte… Wo bleibt die Alters Milde? 😀

    PS: Das Bandpic mit der Slayer-Imitation find ich im übrigen auch sehr sympathisch! 👌

  8. destrukt. sagt:

    Techno-Beats (im weitesten Sinne) gab’s auch schon. The Berzerker. Kann nur für mich sprechen, aber das war maximaler Rotz. Wird fast nur von den programmierten Rums von Mortician unterboten. Aber wie gesagt… Ich spreche für mich. Gibt sicherlich Leute, die das gut finden.

  9. deadguy sagt:

    Im Industrial Bereich gibt es einiges wo ich das mag, wenn es nicht nur bumm bumm ist

  10. Watu sagt:

    Ist halt auch die Frage wie die Muisker Technik beats interpretieren. Langweiliges bumm-bumm reizt mich auch nicht. Aber welche metal Band hat schon einen Aphex Twin in den eigenen Reihen? I.d.R. sucht man sich einen Fitness Trainer am Schlagzeuge und gut ist. :)) Ich denke daran wird es kranken.

  11. ClutchNixon sagt:

    @destrukt: frag mich in sieben Jahren nochmal. Dann steht vorne eine 5 und auch ein mildes Lächeln vor mir im Spiegel 😂

  12. Se Wissard sagt:

    Techno-Beats auf Black Metal? Na dann muss es Mysticum sein. Deren Trommel-Knecht klang schon immer sehr technoid.

    Zur Platte hier: joah, geht schon klar. Vektor mag ich, werd ich mal genauer reinhorchen.

  13. doktor von pain sagt:

    Bei Mysticum liegt’s halt einfach daran, dass es ein Drumcomputer ist, der ganz gewollt nach einem solchen klingt. Aus dem Bereich Industrial Black Metal übrigens auch empfehlenswert: Thorns (nicht ganz so unbekannt) und Borgne.

  14. Lysolium 68 sagt:

    Ist ein „komisches“ Album bei dem alle zuvor angesprochenen Punkte im Positiven wie im Negativen
    bestätigt werden. Das Album lief die letzten Tage öfters im Kontrast zur nuen Humanity´s Last Breath
    und dem letzten Vildjharta Album und sorgte in dem Wechsel für eine angenehm swingende Leichtigkeit.

    9/10
  15. Watu sagt:

    „Es ist auszuschließen weil der direkte Vorgänger schon den Weg zu kompakten Songs geebnet hat, also nicht erst mit dieser Scheibe sondern die Thrice woven ging in eine weniger ausschweifende Richtung auch wenn die Songs noch einen Ticken länger waren.“

    Mir persönlich gefällt Thrice woven sehr gut, das ist beim dem Review auch durch meinen Kommentar hinterlegt. Mich stört die Kompaktheit gar nicht so sehr. Die meisten BM Alben haben kurze, kompakte Songs. Die Songs auf Thrice Woven haben aber auch einen ganz anderen Charakter (meiner Meinung nach natürlich).

    „Mal davon ab, dass ich das nirgendwo geschrieben habe, bin ich einfach kein Fan davon, völlig unbewiesene Behauptungen in der Raum zu stellen und diese dann als Tatsache zu verkaufen (weil das ja „definitiv“ so ist…).“

    Ich habe schon gelernt, dass Diskussionen mit Dir keinen Sinn machen, das siehst Du bei mir sicher genau so. Dennoch sei Dir gesagt, dass das halt meine Meinung dazu ist, meine Behauptung, weil ich das so sehe – Punkt. Ich bin der Meinung, dass sich WITTR von den Borgirs haben beeinflußen lassen, darauf deuten auch andere Aussagen der Band hin. Und weil ich mir das aufgrund des Resultates, gut vorstellen kann. Kein Fakt, aber meine feste Meinung dazu.

    „Wenn einem etwas nicht gefällt kann man das ja gerne äußern (Geschmackssache), man muss dazu aber nicht irgendwelche kruden Verschwörungstheorien herbei schwurbeln“

    Auch wenn Du das möchtest und ich das auch schon recht oft tue, um Sensibelchen wie Dich nicht zu verschrecken, ich werde nicht jedes mal zu meiner eigenen Meinung dazuschreiben, dass es meine eigene Meinung ist. Das ist albern.

    Nichtsdestotrotz möchte ich niemandem den Spaß an diesem Album hier vermiesen. Letztlich ist das hier wirklich Geschmacksache. Für mich war vor allem wichtig auszudeuten, dass die Musik sich verändert hat, einen anderen Charakter besitzt und mir persönlich für ein BM Album viel zu lieblich geworden ist. Wem das gefällt, da habe ich keinerlei Einwände – gern geschehen :))

  16. Watu sagt:

    Ups… falscher Thread. :((