Horn - Naturkraft

Review

Dass das westfälische Ein-Mann-Projekt HORN bislang eher auf gespaltene Reaktionen in der heimischen Black-Metal-Welt gestoßen ist dürfte dem Ein oder Anderen bereits bekannt gewesen sein. Wo A das (bislang) naturverbundene Projekt eher in den Aktenschrank “Lächerlichkeiten” packt, blüht B beim Vernehmen des doch allgemein sehr verschrobenen Materials der letzten Veröffentlichungen auf. Mir persönlich ging es bisher zugegebenermaßen eher so wie den A-Leuten, konnte mit dem Konzept, der Musik und den doch sehr gewöhnungsbedürftigen Texten (seit wann ist Wandern Black Metal kompatibel?!) wenig bis gar nichts anfangen. Nun, da “Naturkraft” das mittlerweile dritte Album Nerraths jedoch das x-te Mal meinen Cd-Spieler vergewaltigt hat muss ich eingestehen, dass sich angesichts der Qualität des aktuellen Albums so manches an meiner Einstellung geändert hat.

Musikalisch hat HORN sich im Grunde nur wenig gewandelt. Hierzu muss allerdings vermutlich erwähnt werden, dass die Art Black/Pagan Metal, die hier seit Anbeginn des Projektes geboten wird, alles andere als gewohnte Kost ist. Die Herangehensweise Gitarrenriffs zu kreieren erinnert dabei eher an Klavierspuren denn an metallisch angehauchte Klampfen. So finden sich kaum gewohnte Melodieläufe, Quintgriffe, an denen man sich als Hörer festhalten könnte. Die Musik lebt von sphärischen Melodien, die sich entweder ergänzen oder durch Kontrapunkte auf ein neues Level hieven. Von simplen Begleitungsstrukturen also (fast) keine Spur. Hinzu kommt dieser extrem ungewohnte Sound, der zwar jede Menge Charme für sich sprechen ließe, für mich aber aufgrund des eigenwilligen Gitarrenklangs (Die ersten Klampfen, die nach Trompeten klingen, hehe) eher störend rüberkommt..

Insgesamt ist “Naturkraft” allerdings, und das anscheinend auch gewollt, im Gegensatz zu den Vorgängern wesentlich Näher am Black Metal gebaut als man es vom Initiator bislang kannte. “Deute Die Zeichen Stehen Auf Sturm” sei hierbei als Beispiel dafür genannt, wie ein wirklich guter HORN Song Anno 2008 klingt: Mal berserkerisch rasend, mit kongenialem akustischem Zwischenpart und sphärischen Gitarrenläufen. Der Rest des Album steht, allein in Punkto Songqualität und songwriterischer Reife, genanntem Track in Nichts nach. Und hier liegt eben genau der Punkt, der mich versöhnlich auf das Projekt blicken lässt: Die Songs sind, ganz neutral gesehen, einfach gut und ausgereift. Ohne den roten Faden des hymnischen Charakters außer Augen zu lassen wird man als Hörer von einem Extrem ins Andere geworfen. Von an EMPYRIUM erinnernden Akustikeinlagen (“Akustikeinschub”) bis hin zu morbide klingenden Parts (“Landscapes On Hold II”) ist eigentlich alles dabei, was ein abwechslungsreiches, eigenständiges Album ausmacht. Und am Gesang, mal tief krächzend, mal clean und an manchen Passagen sogar James Hetflield aufleben lässt, lässt sich auch nicht meckern. Hinzu kommt das Wissen im Hinterkopf, dass jedes vernehmbare Instrument vom Projektkopf selbst eingespielt wurde, was angesichts der tighten Instrumentation wirklich einen zusätzlichen Pluspunkt verdient hat.

Fazit: Dieses Album wird nach wie vor polarisieren. Ich schätze, dass auch “Naturkraft” nicht viel an HORNs Status als zweischneidiges Schwert ändern wird. Vermutlich verhält es sich allerdings so, dass genau dieser Status auch beibehalten werden soll! Wenn sich noch so manche musikalischen Flausen aus dem Kopf des Bandchefs treiben ließen, und vor Allem am Sound gebastelt würde, könnte ich mir durchaus vorstellen in Zukunft noch Großes zu vernehmen.

15.05.2008
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