Die Emo(core)-Szene ist allgemein überfüllt, ohne Innovationen und seit langem hauptsächlich nur noch Pseudo. Den meisten Bands, die heutzutage dieses Genre mit ihrer Musik überfluten, geht es eigentlich ganz gut, aber da der Emo-Zug gerade auf so gewinnbringendem Kurs ist, ziehen sie sich schwarz an, kämmen sich eine Locke ins Gesicht, machen locker-flockige und MTV-fähige Musik und um das Image zu bewahren, ritzen sie sich.
Nicht so HOPESFALL. Die fünf Jungs aus Charlotte, North Carolina spielen auf ihrem dritten Album „Magnetic North“ intelligente, tiefe und emotionsgeladene Musik, wie ich sie in diesem Genre selten gehört habe. Diese Band ist wirklich traurig, und wenn sie’s nicht ist, so kann sie ihre Happyness zumindest verbergen, wenn es an die Aufnahmen geht. Das Klangbild, was einem auf „Magnetic North“ geboten wird, ist durchgehend depressiv und düster, voller Trauer und Tiefe. Hier wird nicht für MTV gerockt, sondern um seine Gefühle zu vertonen. MTV-kompatibel wären HOPESFALL auch gar nicht – nicht, weil sie so hart sind, nein („Magnetic North“ fällt vom Härtegrad nicht viel höher aus, als die durchschnittliche Emo-Band dieser Tage), weil ihre Songs nichts zum nebenbei hören sind. Weil ihre Songs komplex und melancholisch sind und man das Album an sich eh nicht groß in einzelne Lieder zerstückeln sollte, die zwar auch für sich genommen sehr gut sind, ihren zermürbenden Charakter aber erst im Gesamtkontext finden.
Highlights aus „Magnetic North“ herauszufiltern, gestaltet sich schwierig, denn jeder Song hält ein konstant geniales und tiefgründiges Niveau, und außerdem verhält es sich nun einmal, wie ich es schon beschrieb: Hauptsache ist das Gesamtbild „Magnetic North“, nicht der einzelne Song. Das Unheil beginnt mit dem genialen Opener „Rx Contender The Pretender“, welcher nach einem 20-sekündigen Intro zu einem hart rockenden, aber dennoch sehr emotionalen Song wird. „Cubic Zirconias Are Forever“ ist ein in den Strophen sehr melodischer, in den Refrains harter Song, der – nicht zuletzt wegen seines sehr gesellschaftskritischen Textes – sehnsüchtig auf ein Leben ohne Einschränkungen warten lässt. Darauf folgt eine der beiden Balladen des Albums, „I Can Do This On An Island“. Diese ist zwar nur knapp 80 Sekunden lang, wartet dabei aber mit einer solch schönen und zum Träumen einladenden Gitarrenharmonie auf, dass man sich wünscht, sie würde drei oder vier Mal so lang sein und immer nur diese Melodie wiederholen. Die zweite Ballade ist der Titelsong, welcher nur wenig länger ist, als „I Can Do This On An Island“ (knapp zwei Minuten), dabei aber ähnliche Gefühle weckt und mit seiner schweren Gitarrenmelodie teilweise an sogar an Doom Metal erinnert. Dafür gibt es nur ein einziges Wort: toll.
Diese beiden kurzen, langsamen Stücke sollen aber weder davon ablenken, dass es auf „Magnetic North“ insgesamt recht rockig zugeht (wenn auch depri-rockig), so zum Beispiel auf dem oben genannten Opener, dem langsamen „Secondhand Surgery“ oder dem intelligenten „Swamp Kitten“, noch von der Länge her typisch für das Album sein – der Großteil der Lieder überschreitet die Fünf-Minuten-Marke locker.
Das Highlight an diesem Stück großartiger Musik ist aber, dass es sich zu keinem Zeitpunkt den Klischees ergibt, so sehr meine Beschreibung der Gefühlsebene der CD vielleicht auch daran denken lassen mag. HOPESFALL haben weder einen dieser emotypischen Sänger mit quäkigen Stimmen, noch sind die Gefühle, die in Musik und Texten transportiert werden, in irgendeiner Weise klischeebehaftet. Dies ist Emo der ganz besonderen Sorte, den man heutzutage weder im tiefsten Underground, noch auf den neueren Alben der „alten“ Emo-Bands zu hören bekommt. Dies ist etwas Neues, Innovatives mit einem ganz eigenen Charakter, das ich wirklich noch nie gehört habe – nicht in diesem Genre. Leider kann ich HOPESFALL trotzdem keine große Karriere prophezeien, denn – wie ich schon sagte – ist das einfach nichts, um den 08/15-MTV-Emo zu füttern. Das hier ist etwas für Liebhaber tiefgründiger und intelligenter Musik.
Auch in anderen Punkten kann „Magnetic North“ voll Punkten. Vom Booklet über die Produktion bis hin zu den Texten, alles bildet eine wundervolle Einheit, alles spiegelt den nachdenklichen, traurigen und gefühlsbetonten Charakter der Musik wieder. Wunderbar.
Wenn es das perfekte Emo-Album gibt, dann ist es das hier. Ich verneige mich und ziehe die Höchstpunktzahl!
Traurig und depressiv? Na ja, ich weiß nicht. Diese Attribute treffen auf diese Scheibe nicht wirklich zu, aber ich stimme Dir prinzipiell zu – die Scheibe ist wirklich cool, und nach langer Zeit mal echt was ganz besonderes. Also, die Mücken aus der Tasche reissen und die Kunst unterstützen.
ein meisterwerk ist die platte…es gibt keinen song, der jetzt übermäßig auffällt oder besonders besticht durch seine einpräsame melodie. jeder einzelne song strahlt eine unglaubliche traurigkeit ab. das is nun mal kein fast food, das is schwerkost, deswegen werden sich wahrscheinlich auch die meinungen ziemlich außereinander bewegen, aber für den richtigen hörer is die platte einfach nur geil…
So wirklich (erstaunlich) klasse die Songs musikalisch an sich auch sind, muss ich hier sagen, dass 10 Punkte etwas übertrieben sind. Der Gesang lässt nämlich verdammt viel zu wünschen übrig. Weder die Gesangsarrangements sind Extraklasse, noch die (könnerisch spärlichen) Melodiebögen und auch die Abstufungen der Gesangsparts sind nicht wirklich begeisternd. Mal abgesehen davon, dass der Mikroverantwortliche eine eher nichts sagende Allerweltsstimme hat, kein großer Könner in seinem Element ist und dadurch keine richtig überzeugenden Akzente setzen kann, ist der instrumentale Aspekt dafür umso herausragender. Tolle Song-Aufbauten, super Dynamiken und vereinzelt erstaunlich grandiose (musikalische) Ideen überzeugen vom ersten Ton des Albums bis zum letzten. In Einzelwertungen würde das dann wie folgt aussehen. Gesang: 5, Musik: 10.