Hocico - Forgotten Tears

Review

Galerie mit 20 Bildern: Hocico - Out Of Line Weekender 2019

Wenn bereits der ursprünglich für Brasilien auflaufende Fußballspieler Rafinha für die Nominierung der deutschen Nationalmannschaft in Betracht gezogen wird, dann dürften die mexikanischen Hard-Electro-Pioniere von HOCICO bereits seit geraumer Zeit einen Platz in der unseren Nation innehaben. Nahezu durchgehend als gern gesehener Gast auf den Bühnen in hiesigen Breitengraden unterwegs, ist das Duo auch maßgeblich an dem Erfolg des Berliner Labels Out of Line (Music) beteiligt. Dort erschien bereits das erste Album „Odio Bajo El Alma“ (1997) des Aggrotech-Kommandos. Mittlerweile stehen unzählige Veröffentlichungen zu Buche, wobei sich jedoch ein Song direkt in die Herzen der Fans eingebrannt hat: Mit „Forgotten Tears“, ursprünglich auf dem Album „Signos De Aberracion“ (2002) enthalten, wird nun der größte Hit der beiden Cousins mit einer eigenen Veröffentlichung geehrt. Auf dieser wird der Klassiker in zwei Versionen und vier Remixen von unterschiedlichen Künstlern bereit gestellt. Damit nicht genug enthält die limitierte Maxi-CD noch zwei unveröffentlichte Stücke und eine Cover-Version eines weiteren Evergreens durch die EBM-Band JÄGER 90. Hört sich nach einem netten Paket an, jedoch stellt sich bei solchen Zusammenstellungen, insbesondere bei Betrachtung der unterschiedlichen Remixe, immer die Frage des Mehrwerts.

Die als Opener platzierte, überarbeitete Version von „Forgotten Tears“ kommt aufpolierter und weniger dreckig daher, ist damit deutlich cluborientiert, entfernt sich insgesamt aber nicht allzu sehr vom Original. Zwischen diesen beiden Versionen des Kult-Tracks befindet sich mit „Never Be Tamed Corregida“ einer der beiden unveröffentlichten Songs, der aufgrund seiner aggressiven Grundausrichtung und deutlichen EBM-Anleihen stark an die Anfangsphase HOCICOs erinnert. Ein Aspekt der auch auf den ersten Remix von „Forgotten Tears“ zutrifft: Von den Düsterpop-Königen BLUTENGEL angefertigt, aber glücklicherweise nicht durch den aktuell anzutreffenden seicht-sanft kitschigen Fleischwolf dieser Formation gedreht, werden auch hier nochmal einige Reminiszenzen an die alten, elektronisch-technoid beeinflussten Tage von BLUTENGEL spendiert. Starke Abweichungen zum Original gibt es anschließend allerdings (wie jedoch zu erwarten) mit LEATHER STRIP, die dem Stück eine nahezu komplette neue, industrial-lastige Seele einhauchen und dadurch etwas den melodischen Faktor minimieren. Praktisch überflüssig und nicht wirklich weise platziert ist das darauffolgende, ambientgeschwängerte Intro „Limbotic“, welches auf der „Memorias Atras“-Tour verwendet wurde und den zweiten unveröffentlichten Song darstellen soll. Interessanter wird es dagegen wieder mit der Cover-Version von „Untold Blasphemies“ durch JÄGER 90, die das Stück auf ihre extrem eigenwillige, minimalistische Art mit wunderbar gequält klingenden Vocals komplett zerlegen. Bemerkenswert ist auch der Ansatz, den ONT 1129 wählen, um „Forgotten Tears“ mit anderen Facetten zu präsentieren, indem sie Gitarren und Schlagzeug-Klänge verwenden. Durch die Kombinationen mit einigen elektronischen Spielereien weht gar ein Hauch PROJECT PITCHFORK durch den Raum. Den Abschluss besorgen DEVILSIGHT, die wie HOCICO aus Mexiko stammen und auch klar dem Hard Electro zuzuordnen sind – wie sich auch bei ihrer, wieder deutlich techno-lastigeren Version von „Forgotten Tears“ zeigt.

Spannungsbögen über mehrere Songs hinweg oder musikalische Stringenz lässt die Maxi-CD natürlich komplett vermissen, ist es lediglich eine Ansammlung von Songs, die nicht aufeinander abgestimmt sind – worin letztendlich ja auch der Reiz einer solchen Veröffentlichung liegt. Aufgrund der doch teils sehr unterschiedlichen Interpretationen kommt in den knapp 45 Minuten keine Langeweile auf. Auch angesichts einiger positiver Überraschungen eine hinnehmbare, wenn auch nicht zwingend notwendige Veröffentlichung, welche die Wartezeit auf das nächste Studiowerk der energischen Mexikaner ansprechend versüßt.

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16.10.2015

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