Hiraes - Solitary

Review

Ein anderer Einstieg, als die kurzen biographischen Eckpfeiler abzustecken, ist bei HIRAES nicht möglich. Von daher spulen wir das schnell ab. DAWN OF DISEASE haben sich aufgelöst und aus der Asche entstehen HIRAES – mit derselben Instrumentalfraktion. Nur an den Vocals hat sich etwas getan und so ist auf dem Debütalbum „Solitary“ Britta Görtz (ex-CRIPPER, CRITICAL MESS) zu hören.

HIRAES wollen sich mit den aktuellen Genregrößen messen

Eine gute Wahl, denn gerade die kraftvollen Vocals der Frontfrau sind es, die HIRAES aufgrund der stimmlichen Vielfalt etwas Individuelles verleihen. Ansonsten ist „Solitary“ ein sicherlich sehr gutes, aber im Gesamtkontext leider zu vorhersehbares Melodic-Death-Metal-Album geworden. Die Produktion ist fett, drückt, lässt aber wie auch das Songwriting wenig Raum für spürbare Kanten. Stattdessen unternehmen die Debütanten den Versuch, sich mit den Speerspitzen des Genres zu messen – ARCH ENEMY müssen hier zwingend fallen, ohne dass es ausschließlich am Gesang liegt. Vielmehr sind es die Melodien und das ganze Setting, das sich spürbar an der in den letzten Jahren omnipräsenten Truppe um Michael Amott und Alissa White-Gluz orientiert.

Das ist nicht weiter schlimm, zieht aber sehr schnell den Zahn, eine wirklich Überraschung zu erleben. Handwerklich ist HIRAES nichts vorzuwerfen. Die Erfahrung der Musiker spiegelt sich in jeder Sekunde des Albums wider und lässt daher kaum den Gedanken an ein klassisches Debütalbum zu. Stattdessen ist „Solitary“ abwechslungsreich und erfüllt die gängigen Ansprüche an einen zeitgemäßen Genrebeitrag. Neben Up-Tempo-Nummern wie dem peitschenden „Grain Of Sand“ oder dem ballerndene „Outshine“ finden sich auch immer Stampfer, die teils mit viel Pathos wie in „1000 Lights“ aufgeladen werden.

Eigentlich kein Problem. Doch was „Solitary“ von Beginn an verloren geht, ist die explosive Spontanität, die mitunter aus unkalkulierbaren Emotionen hervorgeht – und so weiß man immer, woran man ist. Der kurze Klargesangsmoment zu Beginn von „Strangers“ bleibt einer der wenigen unvorhergesehenen Momente. Doch die Chance, den Hörer wirklich unvorbereitet zu erwischen, verliert sich schon nach Sekunden – denn HIRAES schwenken schnell wieder auf ihren melodischen Death Metal um.

„Solitary“ wird den bandeigenen Ansprüchen gerecht und doch fehlt was

HIRAES wissen genau, was sie tun. „Solitary“ wird den bandeigenen Ansprüchen fast komplett gerecht. Es quillt über vor Melodien, die äußerst gerne nach Schweden schielen, wird von den Growls, Schreien und Spoken Vocals von Britta Görtz bereichert und abgerundet von einer glasklaren, druckvollen, aber auch sehr sauberen Produktion. Doch was dem Album neben der mangelnden Überraschungskomponente fehlt, sind noch die richtigen Momente zum Niederknien – Melodien, die durch Mark und Bein schnellen oder überraschende Eruptionen, die einem aus dem sicheren Gefühl reißen, dass nichts Unerwartetes geschieht.

Kurz und knapp: HIRAES bewegen sich auf sicheren Terrain und dürften in der Schnittmenge DAWN OF DISEASE, ARCH ENEMY und AMON AMARTH problemlos auf offene Ohren treffen. Ein erwartbares Album, dem vielleicht sogar die Unerfahrenheit junger Musiker abgeht, denn „Solitary“ erfüllt alle klassischen Komponenten spielend, lässt aber eben die jugendliche Explosivität sowie Mut vermissen – ein Album, das mit Bravour ein Sicherheitsbedürfnis erfüllen könnte.

22.06.2021

Chefredakteur

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