Kein Cover

Hey Ruin - Irgendwas Mit Dschungel

Review

HEY RUIN aus Trier und Köln knüpfen mit „Irgendwas mit Dschungel“ genau da an, wo TURBOSTAAT und FJØRT schon vor einigen Wochen vorgelegt haben, da wo die DIE NERVEN, LOVE A und FREIBURG im letzten Jahr ihre imposanten Marken gesetzt haben. Willkommen im Club der Verdächtigen, derjenigen die deutschsprachige Musik machen, die reinhaut – in die Saiten, in die Magengrube und ins Herz. HEY RUIN fragen selbst: „Ist das noch Punk, oder schon depressiv?“. Gute Frage, aber war Punk das nicht schon immer und resultiert aus mehr Wissen über den Zusammenhang von Welt und Menschheit nicht zwangsläufig irgendeine Art von Depression? Erscheint mir also ganz gesund, was ein Teil von MNMNTS, aufgestockt und unter neuem Namen, über This Charming Man Records als Debüt veröffentlichen.

Emotionen werden bei HEY RUIN im Wechsel über Texte oder anrührende Melodien ausgedrückt. Einzelne Sätze hallen ewig nach und lassen trotzdem Raum für Interpretation, denn HEY RUIN stellen Fragen, bieten Anstöße und liefern keine Lösungen. Depressiv-melancholische Riffs geben Raum und Fläche und schon der Opener „Schleuse“ stellt dem Hörer alle Härchen kerzengerade auf. Dissonante Töne stellen sinnbildlich den Wunsch da, die beschriebenen Missstände zu stören, dieses Prinzip verfolgen HEY RUIN im weiteren Verlauf der Platte noch öfter. Mit dem kollektiv gebrüllten „Wem geht ein Licht auf, und wem nicht?“ bieten HEY RUIN schon den ersten Höhepunkt.

„Irgendwas Mit Dschungel“ klingt angenehm kratzig und nicht glatt, die Gitarren besonders warm und einlullend. Bei „Hemd Offen“ gibt sich Jörkk Mechenbier von LOVE A die Ehre. HEY RUIN geben ihm die einzelnen Buchstaben vor und Jörkk löst folgerichtig: „Wixer!“ geifert er denjenigen entgegen, die meinen Andersartigkeit definieren und dann auch noch nieder machen zu können. HEY RUIN haben die nötige Glaubwürdigkeit im Sound, dieses gewisse Etwas in Gesang und Texten. Genau das, was so vielen Möchtegern-Punks, die im Schoße von betuchten Majorlabels kurzfristig mit gepanschter Muttermilch künstlich hochgezogen werden, schlicht fehlt.

HEY RUIN hört man die Erfahrung an, musikalisch und textlich. Es wird nicht viel gebolzt und trotzdem boxt „Irgendwas Mit Dschungel“ gut nach vorne, hat Dampf unterm Kessel und agiert mit Nachdruck. Die Texte sind reflektiert formuliert, nicht jugendlich überhitzt oder gar aus dem Affekt heraus, bemühen nicht die ausgelutschten immer wieder genutzten Phrasen und scheuen sich auch nicht im richtigen Moment konkret zu werden. Noch dazu wägen die Herren sehr gekonnt ab, wann sich der Hörer zugelabert fühlen konnte und wann somit eine instrumentale Phase Sinn ergeben würde. HEY RUIN können somit auf (mindestens) zwei Ebenen überzeugen, wahrscheinlich findet „Irgendwas Mit Dschungel“ gerade deshalb überdurchschnittlich oft den Weg in die heimische Anlage. „Spass Als Fetisch“ wurde exotisch mit einem Bongo-Part verfeinert, schlicht um den Kern des Songs zu unterstreichen: Das Fremdartiges leider von Vielen grundsätzlich abgelehnt wird, grundlos. Was mir dazu spontan einfällt, singen HEY RUIN und Jörkk schon in „Hemd offen“…

Das schöne Cover von HEY RUINs „Irgendwas Mit Dschungel“, gestaltet von Benny Demmer von Druckwelle Design, zeigt genau die bunten Vögel, die eigentlich jeder schön findet, die aber im normalen Großstadtdschungel aus dem Rahmen fallen. Zu buntes Gefieder, zu schrill. Die einzelligen Hohlarschagenten über die hier geschimpft wird, werden „Irgendwas Mit Dschungel“ von HEY RUIN nicht hören, geschweige denn verstehen. Aber die, die noch unsicher sind, ob die lauten Stammtischparolen daheim am Esstisch doch wahr sind („Wer den schönsten Rasen hat, hat auch den höchsten Zaun“ aus „Tut Das Not“) oder noch hadern, ob es eine gute Idee sein könnte, mit tumben Parolen asoziales Empfangskomitee („Ich bin ja kein Rassist, aber…“ aus „Spass Als Fetisch“) vor Bussen aus Krisengebieten zu spielen, die bekommen hoffentlich ganz heftige Zweifel. Wer wenig weiß, muss viel glauben. Wo bleibt die Hirnflut?

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03.03.2016

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