Verfasst von Gastschreiber Max Rensch
Man kann nicht einfach nach Mordor spazieren
Und das ist auch gar nicht schlimm. In dem kooperativen Kampagnen-Brettspiel HERR DER RINGE: REISE DURCH MITTELERDE steuern ein bis fünf Spieler eine Gruppe von Helden, die abseits der bekannten Buchvorlage (und Mordor) Abenteuer erleben. Wie auch bei den digitalen Rollenspiel-Vettern, wählen die Spieler zu Spielbeginn zwischen verschiedenen Kampagnen eine aus, bestimmen den gewünschten Schwierigkeitsgrad und entscheiden sich jeweils für einen Helden. Im Grundspiel stehen Aragorn, Beravor, Bilbo, Elena, Gimli und Legolas für spannende Abenteuer bereit. Anschließend legen die Spieler noch die jeweiligen Startgegenstände wie Umhang, Dolch oder Harfe fest. HARFE? Ganz genau: Möglich ist nicht nur die Auswahl des Charakters, sondern auch die Bestimmung seiner Rolle. Und da darf natürlich ein Barde (hier Musiker) nicht fehlen. Daneben kann die Reise durch Mittelerde im Grundspiel auch als Kapitän, Jäger oder Wächter angetreten werden. Nach einer kleinen Einführung startet man in die gewünschte Kampagne.
Und meine App…eh Axt!
Bevor wir einen Blick auf die Grundmechaniken dieses Dungeon Crawlers werfen, muss gesagt sein, dass das Abenteuer von einer kostenlosen App unterstützt wird. Ähnlich wie bei DESCENT „Legenden der Finsternis“ oder VILLEN DES WAHNSINNS, läuft neben dem Brettspiel eine App auf einem Smartphone, Tablet oder Laptop. Diese App ist zwingend notwendig, da sie die Rolle des Spielleiters übernimmt, der die Spieler durch die Abenteuer führt, Spielstände speichert und die Steuerung des Bösen übernimmt.
Skillcheck ohne Würfel?
Wie auch bei klassischen Pen and Paper Systemen à la DAS SCHWARZE AUGE oder PATHFINDER, stellt das Spiel die Spieler vor eine Vielzahl von Herausforderungen, die durch Proben auf bestimmte Eigenschaften gewonnen werden müssen. Diese werden aber nicht wie gewohnt den Zufallsgöttern in Form von Würfeln überlassen, sondern durch das Ziehen von Fertigkeitskarten bestimmt. Die zuvor angesprochene Auswahl von Helden und Rollen führt dazu, das alle Spieler neben den gleichen Basiskarten auch noch individuelle Karten besitzen, die meistens zu einer Spezialisierung bestimmter Eigenschaften wie beispielsweise Körperkraft oder Weisheit führen. Aber Vorsicht, die Karten dienen nicht nur zum Bestehen von Proben, sondern ermöglichen es den Helden auch bestimmte Aktionen durchzuführen. Dies führt oft zu interessanten Entscheidungen zwischen dem Ausführen einer mächtigen Handlung oder der höheren Wahrscheinlichkeit des bestehens einer Probe.
Mein Schatz!
Die Spieleschachtel wirkt wie eine Schatztruhe. Sie ist groß und gefüllt mit Spielfeldteilen, Karten und Miniaturen. Die Illustrationen auf den Karten und in der App sind sehr hochwertig und losgelöst von der Filmvorlage. Die Miniaturen des Grundspiels kommen wie gewohnt unbemalt und sind von überdurchschnittlicher Qualität und Quantität – kommen aber an die Figuren vom großen Kriegshammer-Konkurrenten nicht heran. Grundspiel? Warum eigentlich immer Grundspiel? Nun ja, wie bei Fantasy Flight Games üblich, ist inzwischen schon eine Vielzahl an Erweiterungen erschienen, die hierzulande über die Asmodee vertrieben werden. Die Spannweite hierbei reicht von kleineren Erweiterungsmöglichkeiten wie ein paar Karten und besonderen Miniaturen bis hin zu größeren, die neue Spielinhalte wie Helden und Kampagnen mitbringen.
Ein Spiel, sie zu knechten, sie alle zu finden
Besteigt HERR DER RINGE: REISE DURCH MITTELERDE den dunklen Thron und herrscht über alle App-gestützten Kampagnen-Brettspiele? Und wer sollte sich zu seinen Gefährten zählen? (keine Angst, ich bin fast durch mit einen Tolkien-Referenzen)
Die erklärende App erleichtert den Einstieg enorm, hinzu kommt eine einführende Kampagne und ein beiliegendes Glossarheft. Jetzt muss man sich eigentlich nur noch fragen: Mag ich Herr der Ringe? Finde ich ein bis vier weitere Freunde, die sich für mehr als eine Spielsitzung verpflichten können oder – kann ich das solo? Macht es mir nichts aus, dass die Geschichte im Vordergrund steht und komplexe Spielmechaniken gesucht werden wie der eine Ring von Sauron? Dann sprich Freund und trete ein, in ein wunderbares Spiel mit großartigen Erfahrungen und Spielspaß für viele Stunden.
Spieleranzahl: 1-5 Helden von Mittelerde
Spielzeit: 60-120 Minuten
Verlag: Asmodee
Sprachen: deutsch
Festivaltauglichkeit: Sehen wir mal davon ab, dass das Handy, welches für die App benötigt wird, sowieso im ersten Moshpit flöten geht und wahrscheinlich kein Tablet oder Laptop eingepackt wurde, dann muss man auch noch diese Truhe von Spielebox mitschleppen und einen geeigneten Tisch finden.
Musikempfehlung: Die App liefert die passende musikalische Untermalung direkt mit. Wer es trotdem etwas metallischer braucht, findet vielleicht mit unserer World Of Warcraft Pandemic Playlist den passenden Sound oder bleibt mit SUMMONING direkt beim HERR DER RINGE-Thema:
Würfeln und blättern, statt lauschen und headbangen – In der Rubrik „Dice ‚em All“ stellen wir euch ausnahmsweise keine Musik vor, sondern Rollen- und Brettspiele.
Das Spiel ansich ist ganz cool gemacht und macht ordentlich Laune.
Ein paar Dinge die ich von der App erwartet, aber leider nicht bekommen habe sind weitere Erklärungen. Viele Dinge hätten über die App leicht erklärt und so Unsicherheiten oder Fehler vermieden werden können. Das fehlt mir leider sehr. Dazu kommt, dass mMn das Spiel unzureichend Einfluss auf die Anzahl der Spieler nimmt. Wir spielen es überwiegend zu zweit und würden wir uns hin und wieder nicht selbst beschummeln, indem wir doch einen Zug mehr machen, würden wir wahrscheinlich fast nur scheitern (vielleicht haben wir aber noch nicht sämtliche Regeln verstanden). Aber unabhängig davon ist es ein tolles Erlebnis und macht sehr viel Spaß.
Ich denke, es ist ein schmaler Grad auf dem man da geht bei der App Entwicklung. Wieviel ist überladen? Soll man das Regelbuch komplett integrieren? Aber ja, es gibt die ein oder andere Komfortfunktion die man sich gewünscht hätte – für mich wäre ganz klar eine komplette Vertonung der App wünschenswert gewesen. Was wir beim Spielen unterschätzt haben ist, wie wichtig es sein kann auch zwischen den „Leveln“ die Rollen zu wechseln. Ansonsten könnte man die Schwierigkeit ja auch anpassen in den Einstellungen. Gerade bei den kooperativen Spielen steht ja der Spielspaß wirklich im Mittelpunkt. Da sollte man es vielleicht nicht so eng sehen mit den Regeln. Man muss aber auch sagen, dass scheitern dazu gehört und durchaus dazu führen kann das man dem Spiel mehr „Spielzeit“ entlocken kann da die Kampagnen durchaus wiederspielbar sind.
Genau, ich denke, dass das auch die Schwierigkeit ist bei der App-Entwicklung. Will man jetzt überall eine kleine Wall-Of-Text einbauen, die vielleicht auch eher abschreckt oder nicht?
Dass das scheitern dazu gehört sehe ich auch so. Die Kampagne selber ist in den meisten Fällen dann ja auch noch nicht verloren, sondern es öffnet sich ein weiterer Weg. Das haben wir auch akzeptiert, allerdings hätten wir vermutlich jedes „Level“ verloren, wenn wir uns hin und wieder die Regeln nicht, wie gewünscht, ausgelegt hätten. Aber wie du schon sagst: es geht um Spielspaß und da kann man die Regeln auch mal bisschen abändern :D.