Henge - Alpha Test 4

Review

Soundcheck Juni 2023# 24

Es ist selten eine wirklich dankbare Aufgabe, das Schlusslicht einer Soundcheck-Ausgabe zu rezensieren. Manchmal entdeckt man ein übersehenes Juwel, aber die Regel ist eher, dass der redaktionelle Querschnitt geschmacklich einigermaßen sicher und die rote Laterne verdient ist. Im Juni 2023 wird nun den britischen Weltraum-Spinnern HENGE diese zweifelhafte Ehre zuteil. Deren neues Album „Alpha Test 4“ ist nicht gut bei den Kollegen aus dem Soundcheck-Team angekommen und wurde entsprechend mit dem letzten Platz abgestraft – mit Abstand, muss man nüchtern hinzufügen, trennen den letzten und vorletzten Platz im entsprechenden Soundcheck immerhin stolze 0,9 Punkte. Wollen wir uns doch mal in „Alpha Test 4“ hineinwagen und versuchen, herauszufinden, woran das gelegen haben mag.

Haben HENGE die rote Laterne wirklich verdient?

Es geht im Kosmos der Briten auf jeden Fall reichlich bunt zu. Ein bisschen Post-Punk-Spirit schwingt bei den Songs durchgehend mit, dazu quaken reichhaltig Synthesizer lebendig durch die Songs. Dabei werden gerne 8bit-artige Sounds gesampelt, was dem Gehörten definitiv etwas Schrulliges und Nerdiges verleiht. Das in Kombination mit den ebenso quirligen Vocals, die gerne auch mal durch den Vocoder gejagt werden, ist schon sehr gewöhnungsbedürftig für Gaumen, deren musikalische Diät eher im schwarz- oder todesmetallischen Grimm beheimatet sind. Das ist in Anbetracht ihrer Soundcheck-Watsche gleich doppelt schade, da die Briten doch einiges an Hooks in petto haben. Als da wären beispielsweise der jugendlich freche Refrain von „Self Repair Protocol“, der unverschämt einprägsame Gesangsgulasch von „Tardigrades“ oder die betörenden, fast irgendwie jazzigen Gesangslinien in „First Encounter“.

Auch interessant: Das Album geht über etwas über die Hälfte der Spielzeit runter wie ein quietschfideles Space-Rock-Scheibchen, das genauso bescheuert anmutet wie die trashigen Kostüme der Musiker. Und dann stößt man auf die unerwartet ominöse, atmosphärische Dichte, die im abschließenden Tripel bestehend aus „First Encounter“, dem Titeltrack und dem Rausschmeißer „Asteroid“ zur Schau gestellt wird, und stellt fest, dass die Briten doch mehr können als nur spaßig (und spacig) herum zu spinnen. Man muss natürlich weiterhin eine Toleranz für 8-Bit-Gepiepe und Theremin-artige Sounds mitbringen, bekommt aber ein paar echt stimmungsvolle Tracks serviert, die zwar von noch konsequenteren Raumfahrern á la FARFLUNG ausgestochen werden, was pure Space-Stimmung angeht, sich aber schon ziemlich weit in die Umlaufbahn geschossen haben.

Ein Herz für Space-Rock-Seltsamkeiten …

Schluckhauf hat „Alpha Test 4“ als solches eigentlich nur mittendrin, wenn ein „DNA“ beispielsweise etwas zu wahllos vor sich hin dümpelt oder „Ra“ mit seinen penetrant stakkatoartigen Sequencer-Motiven und repetitiven Vocals möglicherweise selbst die tolerantesten Nerven doch auf die Probe stellt. Mit etwas Offenheit für quirlige, punkige Songs mit Space-Feeling kommt man aber mit diesem neuen HENGE-Album voll auf die Kosten und sollte mit „Alpha Test 4“ auch hinreichend Spaß haben. Warum „Alpha Test 4“ daher trotz einer derart soliden Leistung so abgestraft worden ist, erschließt sich unsereinem leider nicht und ich kann über die Gründe dafür nur spekulieren. Reinhören empfiehlt sich in jedem Falle für jeden, für den der inhärente Cheese des Space Rock nicht eine Hürde, sondern den Reiz schlechthin darstellt.

19.06.2023

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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