Helmet - Left

Review

Soundcheck November 2023# 18

Über die Jahre sind die New Yorker Wutbürger um Mastermind Page Hamilton deutlich gemäßigter zu Werke gegangen als noch auf dem Debüt „Strap On“. Damals vereinten HELMET industrielle Sounds mit Hardcore und Avantgarde-Rock. Hamilton pisste regelrecht auf jegliche Konventionen, was der Band unter anderem einen Beitrag auf dem Soundtrack/Sampler zu „Judgement Night“ einbrachte, wo man zusammen mit HOUSE OF PAIN eine gemeine Ausgeburt des Zynismus mit „Just Another Victim“ ablieferte. Nie klangen HELMET besser als in den frühen 90er-Jahren.

Sind HELMET zu wütenden Spießern geworden?

Mit „Left“ erscheint jetzt Album Nummer 9. Der Opener „Holiday“ legt direkt mit Vocals und allem Drum und Dran los. Der messerscharf eingesetzte Rasierklingen-Sound der frühen Tage ist mittlerweile komplett einem wohlgefälligen Grunge-Finish gewichen. Das ist gar nicht problematisch, wenn man ausblendet, dass HELMET eigentlich viel zu sagen hätten. Gerade ein Stück wie „NYC Tough Guy“ sollte nicht nach STONE TEMPLE PILOTS klingen, sondern im Geiste von „I Know“ („Betty“) inszeniert werden.

Gutes Handwerk und nette Ideen auf „Left“

Das Hamilton immer noch das Zeug dazu hat, all seine Coolness in einen Song zu legen, deutet er mit „Big Shot“ an, dessen Beat dich vor sich her treibt. Speziell der Bridge-Part geht dann endlich unwiderstehlich im SONIC-YOUTH-beflügelten Wahnsinn auf. Der Track ist einer von nur wenigen echten Lichtblicken, zumindest wenn man die Schaffensperiode der Band vor dem Revival zu schätzen weiß. Letztlich fügt sich „Left“ aber gut in die Diskografie nach „Dead To the World“ ein.

Ein kurzes Vergnügen oder ein Grower?

„Tell Me Again“ setzt zu einem sexy staubigen Wild-West-Intermezzo an, wenn die offen gestimmte Slide-Gitarre einen lässigen Auftakt spielt. Später setzen Streicher ein und man würde sich nicht wundern, wenn dieser Song aus der Feder eines gewissen Josh Homme oder Nick Oliveri stammen würde. Insgesamt kratzt „Left“ gerade mal die 30-Minuten-Marke, wobei HELMET noch nie bekannt für nicht endende Song-Epen waren. Das folgende „Powder Puff“ ist wieder ein Annäherungsversuch an die Flanellhemden-Bande aus Seattle.

Anfängliche Zweifel beginnen sich zu verflüchtigen, wenn man „Left“ ein drittes, ein viertes Mal hört. Die Qualität der Songs ist auf jeden Fall hochkarätig, während man andererseits verzweifelt auf die heiß ersehnten Hasstiraden Hamiltons wartet. Gleichzeitig bietet das Album mehr als genug Abwechslung und bedient Freund:innen von Grunge, Alternative-Rock und Jazz genauso wie diejenigen, die Stoner-Rock und Post-Rock mögen. Was bleibt ist der Zwiespalt der objektiven Betrachtung, die im Clinch mit der Hoffnung auf eine „alte“ HELMET-Platte liegt. Wenn man das erste Mal als wütender Jugendlicher mit HELMET in Berührung gekommen ist, bringt einen „Left“ auf den Boden der Tatsachen zurück. Immerhin ist man mittlerweile genauso erwachsen geworden, wie die Musik der einstigen Angry-Bouncer.

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03.11.2023

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