Guter Hard Rock nimmt sich ja nur selten richtig ernst. Kein Wunder, bei meist grenzdebilen Texten, primitiver Akkordarbeit und jede Menge sinnlosem Rumgepose. Bei den Bremern von HELLIÖN hat man trotz lustiger Nummern wie „Hell’s Granny“ auf ihrem Debütalbum mit „my cock is bigger than your’s“-Sprechchören und Bandpseudonymen wie „Loxxy“, „Fixxy“, „Kixxy“ und „3eex*“ aber dennoch das Gefühl, dass sie zwischenzeitlich ein wenig übertrieben haben. Falls sich potentielle Käufer jetzt abgeschreckt fühlen: „Divine Decadence“ ist kein sinnloses Funalbum, es geht tatsächlich um richtigen Hard Rock.
Leider hat es nur begrenzt Hand und Fuß. Und das sage ich, obwohl ich meinen enorm schlechten Ersteindruck mittlerweile wieder korrigiert habe und die Scheibe an einigen Stellen doch ganz ohrwurmig finde. Grund dafür ist, dass die Bremer offensichtlich ihr eigenes Genre noch nicht gefunden haben, zwar mit Klischees des Hard Rocks spielen, jedoch auf „Divine Decadence“ überraschend oft die Genres wechseln.
Und das ist ihre Rettung, denn gerade die urtypischen Rocknummern wie „667“ oder „Farmers Pride“ sind bemerkenswert stumpf und langweilig. Deutlich besser sind stattdessen reinrassige Powermetalnummern wie „Let The Dragon Fly“ oder „Merlin“, sowie der mit Growls ausgestattete Thrashsong „The Only 1“. Das spricht wie schon die skurrilen Bandnamen von einem seltsam stumpfen Bild, das man dem Hard Rock gegenüber haben muss, wenn man ihn einfach nur als ‚Powermetal mit nur halb so vielen Riffs und Melodien‘ konstruiert. Immerhin ist ein guter Stampfer dann aber doch noch drauf: Das versteckte ROXETTE Cover von „She’s got the looks“. Erschreckenderweise klappt ausgerechnet hier, was bei allen Eigenkompositionen zuvor schief ging und man fühlt sich einem ungeahnten Moshfaktor ausgesetzt.
So hat „Divine Decadence“ also insgesamt vier wirklich gute Nummern. Die beiden Powermetalsongs, „The Only 1“, sowie das ROXETTE-Cover. Eine gute Ausbeute ist das nicht, gerade wenn man den Anspruch einer Hard-Rock-Band hegt. Wenn HELLIÖN auch abseits von Konzerthallen gefeiert werden will, muss sich da definitiv noch was ändern.
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