Nein, bei HELGE handelt es sich nicht um ein bisher geheim gehaltenes Black-Jazz-Projekt von Helge Schneider. Stattdessen handelt es sich dabei um eine nach Gitarrist und Band-Chef Helge Nørbygaard benannten Black-Metal-Band aus Dänemark, die mit „Neuroplasticity“ ihr Debüt-Album präsentieren. Und das, obwohl es die Band schon seit 26 Jahren gibt! Schon 1996 hat Nørbygaard das Projekt ins Leben gerufen, kam aber aus persönlichen Gründen nie zur Verwirklichung.
Nichts als das Leben
Thematisch kann HELGE als eine Aufarbeitung von Nørbygaards Leben und hier vor allem seiner Tiefpunkte betrachtet werden. Er arbeitet hiermit musikalisch seine Phasen der Sucht, der Depression und des Stresses auf. Wer jetzt an Depressive Black Metal im Sinne von SHINING, BETHLEHEM, XASTHUR und Co. denkt, bei dem das Leiden zum Ausdruck der Musik gemacht wird, irrt gewaltig. Vielmehr werden diese Themen hier auf spirituelle Weise aufgegriffen und mit Elementen des Folk verknüpft. Statt über 50 Minuten hinweg wehklagenden Schreigesang einzusetzen, wird auch vor melancholischem Klargesang nicht zurückgeschreckt. Black-Metal-Puristen sollte daher eine Trigger-Warnung ausgesprochen werden.
Dänische Delikatessen
Und es ist gerade der erwähnte Klargesang, der auf „Neuroplasticity“ für angenehme Abwechslung und Überraschungsmoment sorgt. Denn der Opener „Disavow“ klingt stark nach der späten 90er-Jahre-Schule. Und lassen Erinnerungen an die frühen DIMMU BORGIR, DISSECTION, EMPEROR oder DARK FUNERAL zu. Und fast möchte man meinen: Alles klar! Copycat. Doch schon auf „Dying To Become…“ machen sie eine Kehrtwende und präsentieren sich wesentlich progressiver und vielseitiger. HELGE gehen vom Gaspedal runter und klingen nun sogar leicht Doom-lastig. Der erwähnte Klargesang, der stark nach HAMFERÐ oder SCALD klingt, wirkt angenehm episch, ohne jemals aufgezwungen zu sein. Der Wechsel zwischen klarem und keifendem Gesang funktioniert auch dynamisch. Vergleiche lassen sich hier gut zu ENSLAVED oder in Anleihen auch BORKNAGAR ziehen. Doch auch in „härteren“ Stücken, wie „Thrall“ funktioniert die Kombination erstaunlich gut für ein Erstlingswerk.
Mit HELGE in die Black-Metal-Retrospektive
Zugegeben: HELGE liefern auf „Neuroplasticity“ keine stilistischen Neuerungen für die Black-Metal-Szene. Im Gegenteil wirken die Songs an vielen Stellen so, als hätte man sich das Beste aus den letzten 30 Jahren genommen und sich zu Eigen gemacht. Dadurch wirkt „Neuroplasticity“ nach allzu gewohnter Kost. Immer wieder lassen Songs allzu direkte Vergleiche mit anderen Bands zu. Neben den erwähnten alten lassen sich aber auch Vergleiche zu neueren Bands, wie z.B. IMPERIUM DEKADENZ oder SUN OF THE SLEEPLESS nicht von der Hand weisen. Einen wirklich eigenen, sich durch alles ziehenden Stil scheinen HELGE (noch) nicht zu verfolgen. Dadurch wirkt „Neuroplasticity“ wie eine gut gelungene Retrospektive durch die letzten Jahrzehnte des Black Metals. Der in den ersten Songs noch gut platzierte Klargesang kommt ab der zweiten Hälfte auch fast kaum noch zum Einsatz. Mit dem späten „Venomous Breath“ liefern sie noch ein kleines Highlight, dass aber ebenfalls für nicht allzu große Überraschungen sorgt.
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