Helevorn - Espectres

Review

Ein Schritt zurück, zwei vorwärts … Die mallorquinischen Doomster haben sich vom massiven Line-up-Wechsel nach der Pandemie, bei dem sie zwei Drittel des Bandgefüges nachbesetzen mussten, nicht unterkriegen lassen. Sänger Josep Brunet und Gitarrist Sandro Vizcaíno setzten alles daran, HELEVORN zusammen mit neuen Mitstreitern in die nächste Ära zu führen. Das Ergebnis heißt „Espectres“ und ist ein Reboot, der zum Glück nicht krampfhaft auf Neuerfindung baut.

Menschen, die allergisch auf vordergründigen Keyboardeinsatz reagieren, lassen aufgrund eines drohenden anaphylaktischen Schocks besser die Finger von HELEVORN – während Kenner der Band mit Freude erwarten, was ihnen mit den acht neuen Tracks blüht: tiefgründiger, schwer melodischer Gothic Doom der südländischen Art.

HELEVORN – zwischen Fortschritt und Nostalgie

Der Neubeginn ist die Forcierung alter Stärken durch frisches (Herz)Blut. Die angesprochenen Keyboards – ob als atmosphärischer Klangteppich, filigranes Piano oder schlichter Melodieträger – sind nach wie vor voluminös und omnipräsent. Auch sonst setzen HELEVORN weiterhin auf eingängige Gitarrenleads, gestützt auf die treibende Dynamik von Drums und Bass sowie auf ausdrucksstarke Vocals.

Der Opener zeigt unmissverständlich die Richtung für „Espectres“ an: Aus dem schwermütigen, an ein Requiem erinnernde Intro erhebt sich ein entschlossenes, nach vorn strebendes „Inherit The Stars“, das Ohr und Geist für die sieben folgenden Tracks öffnet.

Obgleich die Mallorquiner „volle Kraft voraus“ segeln, umweht „Espectres“ ein Hauch von Nostalgie. So tragen manche Leads (und stellenweise auch Brunets Growls) unverkennbar den Geist früherer PARADISE LOST (z. B. „The Defiant God“). Dann wiederum spielen sie bei „Signals“ mit 80ies-Synth-Pop-Vibes und lassen „The Lost Future“ mit Dialogfetzen aus der alten britischen Sci-Fi-Serie „Sapphire & Steel“ ausklingen. Angesichts des dem Album zugrundeliegenden Konzepts der „Hauntology“, das sich u. a. mit dem Begriff der verlorenen Zukunft beschäftigt, ergibt das scheinbar Paradoxe durchaus Sinn.

Kleine Schätzchen mit großer Wirkung

Ein bewegendes Highlight auf „Espectres“ ist „Unbreakable Silence“: Schleppendes Downtempo trifft hier auf schweres Riffing, getragen von einer ergreifenden Melodie und der perfekten Balance zwischen Aggression und Wehmut.

Ebenso bemerkenswert ist das auf Catalán gesungene „L’Endemà“, bei dem Gastsängerin Inés González elegant die harschen Vocals von Josep kontrastiert.

Und einmal mehr demonstriert die Doom-Family Innigkeit mit einem brüderlichen Duett. SATURNUS‘ Thomas A. G. Jensen eröffnet „Children Of The Sunrise“ unverkennbar mit ein paar gesprochenen Zeilen und zum Songfinale gibt’s auch die erhofften Doom-Growls im Doppelpack.

Passion als treibende Kraft

HELEVORNs Stil ist seit jeher geprägt von einer „mediterranen“ Melancholie, die trotz ihrer bitteren Note immer eine gewisse Wärme ausstrahlt. Und doch kriecht auf „Espectres“ zuweilen eine nordische Kühle empor, wie man sie beispielsweise bei finnischen Genrekollegen wie RED MOON ARCHITECT verspürt. Trotz potenzieller Ansätze und vieler getragener Parts gibt es streng genommen keine Balladen auf der Platte – alle Tracks arbeiten mit Tempo- und Stimmungswechseln. Auch gesanglich zeigt sich Brunet vergleichsweise forsch – Titel, bei denen er ausschließlich clean singt, sind nicht an Bord.

Insgesamt besitzen die Stücke mit durchschnittlich knapp sechs Minuten Spielzeit eine bequem händelbare Komplexität und bilden eine in sich konsistente, organische Einheit. HELEVORNS fünftes Studiowerk revolutioniert zwar ihren Sound nicht grundlegend, offenbart aber eine neue (oder wiedergefundene) Passion für das, was sie tun.

Wer leicht bekömmlichen Doom Metal mit erhöhtem Melodiezuckerwert gut verträgt, findet in „Espectres“ einen lauschigen Seelenwärmer und wunderbaren Herbstbegleiter.

26.09.2024

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