Heisskalt - Vom Wissen Und Wollen
Review
Es wird niemanden geben, der „Vom Wissen Und Wollen“ von HEISSKALT einmal komplett am Stück hört und sich sofort absolut sicher sein kann, ob er das Prädikat „gut“ oder „schlecht“ vergeben soll. Die Sindelfinger halten sich eng an ihrem Bandnamen und präsentieren sich auf ihrem neuen Album eindeutig zweideutig. Jede Art von Aufmerksamkeit ist gut. Sagt man so, stimmt natürlich nicht. Aber zumindest sind HEISSKALT nicht belanglos und triggern irgendeine Art von Emotion und das wiederum ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal, um Erfolg haben zu können.
Post wird hier großgeschrieben
Der Weg ist das Ziel und so kann der Trick mit dem stetig anschwellenden Songaufbau und der finalen Explosion durchaus überzeugen, ganz gleich wie durchschaubar er ist. Post-rockige Weiten treiben den Hörer immer ein Stück nach vorne, mit äußerst geringem Aufwand gelingen HEISSKALT häufig sehr straffe Spannungsbögen. Absolut überzeugend beim ersten Mal, auch beim zweiten Mal oder dritten Mal… doch irgendwann ist der beste Effekt ausgereizt. Songs mit unkonventionellen, schnelleren Strecken wie „Angst Hab“ oder „Tanz Tanz“ bieten den dringend notwendigen Kontrast. Womit wir schon beim ersten Zwiespalt wären, in den HEISSKALT die Hörer treiben. Macht Wiederholung etwas Gutes schlechter? Sind Melodien schlecht, weil sie simpel sind? Gitarre und Bass glänzen auf „Vom Wissen Und Wollen“ zumindest nicht mit Fingerfertigkeit, es gibt keine beeindruckenden Soli und trotzdem erzeugen HEISSKALT massiv Tiefe und Druck – Lob an die Saitenschnapper. Besonders das Schlagzeug spielt eine große Rolle bei HEISSKALT, Drummer Marius Bornmann lässt die Sticks immer genau passend fliegen. Leichtfüßig drohend, hitzig schnell oder einfach wütend massiv – hier zeigt sich wieder, wie wichtig ein talentierter Taktgeber ist.
Worte können Waffen sein…
…und die Betonung liegt auf „können“. Man ist sensibler bei deutschen Texten, das kann man nicht verleugnen. Wenn HEISSKALT versuchen sich besonders zu verbiegen, und möglichst philosophisch abzuliefern, dann wird es eher belanglos oder zuweilen sogar unsinnig. Einige Textfetzen kann man sich, selbst im Zusammenhang, drehen und wenden wie man will – so richtig groß ist das nicht. Es sind die vermeintlich nichtigen Sätze, von denen HEISSKALT zehren können. HEISSKALT bieten den Hörern durchaus facettenreichen Gesang an, auch hier wieder jeder seiner Bevorzugung entsprechend glücklich werden. Kratzender Gesang, bewusst arrogant tonaler Sprechgesang oder einfach auch nur von Emotionen getragener melodischer Gesang, HEISSKALT lassen sich nicht lumpen und schicken mit Mathias Bloech und Philipp Koch gleich zwei Stimmen ins Rennen. Sie beanspruchen ganz sicher nicht eine politische noch eine emotionale Lehrstunde zu halten. Es sind scheinbar beiläufige Begebenheiten und Empfindungen, die HEISSKALT auf die Spitze treiben und hörbar machen. Höhepunkte, die man am Anfang des Songs so gar nicht vorhersagen konnte und gewisser Weise multiplizieren HEISSKALT die Wirkung ihrer Musik durch diese Art von Tiefstapeln.
„Wir lieben das Scheitern…“ (aus dem Song „Euphoria“ von HEISSKALT)
Man kann HEISSKALT wiederum auch leicht als nervend und störend empfinden, denn unaufdringlich oder beiläufig konsumierbar sind die Kompositionen nicht. „Vom Wissen Und Wollen“ riecht nicht nach Anbiederung an Uffz-Uffz-Radiosender und auch nicht, wie der dringende Wunsch nach großen Festivalbühnen. Die Band aus Sindelfingen versucht offen in alle Richtungen zu sein, integriert einen sanften Hauch Reggae in „Absorber“ und erntet damit ein Schwanken zwischen anerkennendem Kopfnicken hin zu einem von Stirnrunzeln untermalten „Jetzt reicht’s aber auch…“. Das gesprochene Intro aus „Papierlunge“, jetzt auch nicht wirklich neu die Idee, hätte man sich getrost sparen können. Und auch wenn Instrumente vereinzelt strikt gegen den Rest spielen und unterm Strich einfach unmelodisch und ziellos rumlärmen, ist man kurz unsicher, ob das so gewollt oder einfach so passiert ist.
„Liebe bleibt Liebe und dieser Stein bleibt Stein…“ (aus dem Song „Tanz Tanz“ von HEISSKALT)
Wer den gehetzten noisigen Einstieg von „Angst Hab“ hört, wird sofort an DIE NERVEN denken, sofern er sie denn kennt. Ein Vergleich der hinkt und ein Niveau, das nicht so einfach zu erreichen ist. Wer die codieren Texte hört wird sich auch nicht sicher sein, ob hier TOCOTRONICsche Früherziehung, TURBOSTAATliche musikalische Sozialisierung oder einfach nur ein gescheiterter Philosophiestudent Pate stand. Und am Ende würden HEISSKALT wahrscheinlich „weder noch“ antworten. Reminiszenzen sind auf „Vom Wissen Und Wollen“ jedenfalls zahlreich vorhanden. Die Fragen ist nur, ob man die wirklich wissen will oder wissen muss. Zumindest liegt hier ein Punkt vor, an dem sich viele Hörer stören könnten.
Sind HEISSKALT jetzt heiß oder kalt?
Am Ende dreht man sich manches sicherlich auch vieles mit Gewalt sinnig. Was man nicht manipulieren kann, ist die anrührende und nachdrückliche Instrumentierung. HEISSKALT hinterlassen mit „Vom Wissen Und Wollen“ Eindruck, wenn dieser auch ambivalent und nicht durchweg gut sein mag. Sie schwanken zwischen bewegendem störrischen deutschen Pop-Post-Punk-Rock und richtig nerviger Belanglosigkeit. HEISSKALT sind aber nicht halb so scheiße, wie man im Affekt des ersten oberflächlichen Eindrucks urteilen möchte und auf „Vom Wissen Und Wollen“ noch nicht halb so grandios, wie sie sein könnten. HEISSKALT eben.