Rein optisch ist das Debüt der Herren HEALER aus Münster ein wahres Monster: Der Bandname weist ganz dezent Richtung Eternia und die Karre mit der Losung „Heading For The Storm“ auf der Stoßstange beamt einen auch ohne Umweg zurück in die Zukunft. Wie geil.
Während vor dem inneren Auge Actionfigur-Marty McFly mit Dauerwelle einem Airbrush-Delfin in Spandex in den AOR-Himmel hinterhersurft, stellt sich rotwangig indes die Frage:
Sind HEALER auch musikalisch die Masters Of The Universe?
Schon die erste Runde „Heading For The Storm“ zeigt: Es gibt in dieser Welt keine einfachen Antworten mehr. Denn die Hoffnung auf ein augenzwinkernd kredenztes Guilty Pleasure mit Over-The-Top-Synthies erfüllt sich nur sehr bedingt. Ein AOR-Tribut wie viele der vor allem skandinavischen Achtziger-Aktivisten sind HEALER trotz des bunten Covers nur in kurzen Momenten. Kitsch-Katharsis gibt es woanders.
Zwar schauen die erfahrenen Herren Scheel (Oper, Musical), Füntmann (LONG DISTANCE CALLING), Kahr (ZODIAC), Weise (ORDEN OGAN) sowie Hülstermann und Demter durchaus in den Rückspiegel, vermutlich Richtung eigener Jugend. Was sie dort sehen, sind allerdings weniger JOURNEY im SPEEDWAGON als UFO hinterm Regenbogen.
Natürlich badet ihre Musik trotzdem in Klischees und natürlich ist das, was HEALER auf „Heading For The Storm“ bieten, 2018 für die meisten wie von einem anderen Stern. Doch kann man der Platte aufgrund ihrer stilistischen Ausrichtung Ernsthaftigkeit guten Gewissens auch abseits der reinen Umsetzung bescheinigen.
Etwas weniger verquer ausgedrückt: HEALER kaspern nicht rum, sondern rocken gediegen. Sänger Michael Scheel klingt wie eine geschliffene Mischung aus Gary Barden und Blaze Bayley mit einem Schuss Bernie Shaw und seine Band bewegt sich dazu passend zwischen Hard-Rock-Stampfer und Classic-Rock-Hymne. Und ausschließlich zwischen 1975 und 1985.
„Heading For The Storm“ regiert zumindest eine kleine Welt
„Desert Star“ zum Einstieg gibt die Richtung vor: Wuchtige Riffs und Drums mit viel Hall treffen auf Große-Geste-Vocals mit Stil, ein Seventies-Keyboard mit Gestaltungsfreiheit im Mittelfeld UND auf den Flügeln sowie gern mehrstimmige Refrains. Nicht neu erfunden, nicht mal in Details – die Eingangsmelodie des folgenden Titelstücks ist gar ein charmantes Zitat. Allerdings auch überhaupt nicht schlecht. Genauso wenig wie zum Beispiel das orchestral-episch angelegte „Rolling Thunder“, das sehr edel in tiefem Lila nicht nur schimmert, sondern strahlt und im zweiten Teil befreit und begeisternd Fahrt aufnimmt.
„Same Old Road“ dagegen hat mit den Siebzigern nur wenig zu schaffen. Besonders die Tasten-Begleitung von Nils Weise spult einige Jahre vor, sodass gewissermaßen die Hose mit einem Schlag selbigen verliert und sich inklusive neckischen Musters ganz, ganz eng ans Wippende Bein schmiegt. „Times Of Defeat“ schließlich entlässt einen pathetisch, doch elegant als Arme-zum-Himmel-Ballade. MEAT LOAF neigt ganz hinten anerkennend das Haupt. Und das geschulte Publikum hebt den Daumen.
Ergo: In der skizzierten kleinen Welt darf man HEALER ruhigen Gewissens und mit freudigem Zucken im Rockerbein huldigen. Wer dem geschilderten Ausschnitt des Vorgestern etwas abgewinnen kann (und zum Beispiel Frontiers Records wertschätzt), wird auch „Heading For The Storm“ etwas abgewinnen können.
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