Haudegen - Blut, Schweiß & Tränen

Review

Mit dem Album „Lichtblick“ sahnten HAUDEGEN bei uns zuletzt mächtig ab. Nun steht gleich ein dreifacher Schlag mit Namen „Blut, Schweiß & Tränen“ ins Haus. Das sind gleich drei individuelle Alben, welche das Berliner Duo veröffentlicht. Solche Mammutwerke sind grundsätzlich immer eine Gratwanderung. Die meisten machen das im Rahmen von Alben, die eine zusammenhängende Geschichte erzählen oder zumindest ein zentrales Thema haben. Doch was hier auf den ersten Blick tatsächlich noch wie ein Konzeptwerk anmutet, erweckt bereits nach wenigen Minuten eher den Verdacht, als wollten die Berliner wirklich gar nichts auf dem Boden des Schneideraums liegen lassen.

Dabei ist es nicht so, dass die Songs B-Seiten-Qualität hätten. Gut gemacht sind sie allesamt, ebenso kompetent eingespielt, was angesichts des teilweise recht schlichten Songwritings allerdings keine Kunst gewesen sein dürfte. Hier wird kein Versuch unternommen, traditionelle Songstrukturen umzukrempeln. Die Produktion ist klar und kraftvoll – handwerklich stimmt hier alles. Der mehrstimmige, zum Markenzeichen gewordene Gesang der beiden Berliner ist natürlich eine Sache für sich. Sie sorgen gelegentlich mal für Gänsehautmomente. Gefühlt singen sie allerdings auch oft die gleichen Harmonien. Das wird entsprechend schnell langweilig.

HAUDEGEN mit dem Dreifachschlag

Das große Problem ist, dass HAUDEGEN wenig Rechtfertigung dafür liefern, dass hier tatsächlich ein Tripel-Album hätte sein müssen. Am besten wäre es gewesen, wenn sich die Band die Rosinen aus allen drei Platten gepickt und auf eine einzelne CD gepackt hätten. Und eine Bonus-CD mit dem Rest der Tracks wäre zur Not auch noch in Ordnung gewesen.

Blut

Auf „Blut“ geht es dabei noch am heftigsten zur Sache. Der Opener und Quasi-Titeltrack „Blut, Schweiß & Tränen“ gefällt mit breitbeinigem Riffing und vergleichsweise aggressivem Gesang. Schön ist auch die schwelgerische Gitarre, die im Hintergrund zu hören ist. Ebenso machen das abwechslungsreiche „Echt zu sein heißt Feinde haben“ und das aggressive „Eure Arroganz“ eine gute Figur. Natürlich sind die teilweise etwas klobigen, deutschen Texte immer ein bisschen Geschmackssache, ebenso wie die sich wiederholenden Gesangsmelodien, was im übrigen auch für die anderen beiden Platten gilt. Doch die Features der beiden Rapper Kool Savas und Manuellsen gehen komplett in der Mittelmäßigkeit der entsprechenden Songs „Stoff aus dem die Träume sind“ und „Halb so frei halb so wild“ unter. Und auch sonst ist die Gitarrenarbeit eher schlicht und hebt sich allein durch die regelmäßige Nutzung der oberen fünf Saiten von der Einfältigkeit des Nu Metal ab.

Schweiß

Auf dem poppig rockenden „Schweiß“ kommen HAUDEGEN einer deutschen Version von NICKELBACK oder SUNRISE AVENUE noch am nächsten. „Schweiß“ hat bei weitem die geringste Hitdichte aller drei Platten, was ironisch ist, da alle Songs wie für das Radio geschrieben zu sein scheinen. Das hat alles schon etwas sehr Retortenartiges. Entsprechend ziehen die Songs eher spurlos am hinreichend anspruchsvollen Hörer vorbei. Hier helfen sicher auch nicht die weiterhin etwas gelangweilt vor sich hin dudelnden und riffenden Gitarren, die lediglich bei „Happy End“ mal einen leicht explosiven Charakter bekommen. Auch gefällt der Opener „Heute für immer“ durch seinen peppigen Refrain. Doch ansonsten sind die Tracks weitestgehend harmlos und hinterlassen keinen bleibenden Eindruck. Das hier ist seichter, friedfertiger Radio-Rock, wie er im Buche steht und wie ihn Pop-Produzenten lieben. Was das mit „Schweiß“ zu tun haben soll, wird mir auch angesichts der Texte nicht wirklich klar. Denn schweißtreibend geht dann irgendwie doch anders.

Tränen

Und „Tränen“ bietet dem Titel gemäß die ruhigeren, melancholischen und zumeist Rock-freien Titel. Stattdessen heben sich oft Streicher unter die Stücke, die gerne auch mal durch Klavier getragen werden. Diese spielen natürlich gewohnheitsgemäß simple Linien, was zugegeben nicht immer unpassend ist. Zumeist kommen die Tracks dadurch entsprechend abwechslungsarm herüber. Doch der flächige Klang passt bei einigen Tracks tatsächlich ganz gut und sorgt dann für den ein oder anderen Gänsehautmoment. Man muss schon ein Herz aus Stein haben, um nicht gelegentlich etwas gerührt zu sein, speziell bei „Nach mir deine Träume“ und „Ein Geschenk“. Letzteres sticht auch musikalisch hervor. Der Track beginnt zwar erwartungsgemäß arg kitschig, doch der Aufbau hin zum rockigen Finale ist gelungen. Qualitativ schließt „Tränen“ tatsächlich zu „Blut“ auf, aber eben auf seine eigene Art und Weise. Man muss allerdings schon sehr tolerant gegenüber Kitsch sein.

Weniger wäre mehr gewesen

Natürlich kann man die vorliegenden Alben auch tatsächlich als individuelle Werke betrachten. Doch die Frage, warum hier nicht ein einzelnes, abwechslungsreiches Album gemacht worden ist, steht nach wie vor unbeantwortet im Raum. HAUDEGEN gehen weder in musikalischer noch in dramaturgischer Hinsicht mit ihren neuen Tracks irgendwelche Risiken ein, die ein solches Tripel rechtfertigen würden. „Blut“ und „Tränen“ ist Deutschrock-Durchschnittskost mit gelegentlichen Ausbrüchen nach oben, während „Schweiß“ das schwächste Glied darstellt. Letztendlich tut eine einzelne dieser Platten alleine nicht weh (vorzugsweise „Blut“), aber im Gesamten zieht sich das Tripel wie Gummi. Hier wäre weniger eindeutig mehr gewesen.

13.07.2017

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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