Hassmord - Scherbenkotsplittergranate

Review

Sogerade habe ich auf der Facebookseite des Labels von HASSMORD (übrigens mit der Band identisch) gelesen, dass immer nur Sound und Image der Band kritisiert werden und sich das Label eine tiefergehende Analyse der Musik wünscht. Oh, kein Problem, dafür sind wir doch da. Also – Metalfanmodus aus, Profimodus an.

Zunächst ist die bestenfalls laienhaft zu nennende Aufnahmetechnik fragwürdig. Es empfiehlt sich generell nicht, das Schlagzeug nach den Gitarren aufzunehmen (vgl. Blog auf der MySpace-Präsenz der Musikgruppe), wenn man nicht sauber nach einem Klicktrack spielen kann. Diese Kunst beherrschen HASSMORD nicht, was dazu führt, dass Gitarren und Drumkit regelmäßig nebeneinander herspielen (als herausragendes Beispiel dafür möchte ich den Ansatz des Versuches einer Marschsnare im Titeltrack anführen). Desweiteren ist es mir, wo wir bereits die Performance am Schlagzeug behandeln, ein persönliches Anliegen, zu erwähnen, dass diese von auffällig untighter Art ist. Dies äußert sich in sehr inhomogenen Doublebasspassagen, schiefen Blastbeats und schlingernden Viervierteltakten, wie man beispielsweise in „Traktor auf dem Laichenacker“ oder der Pseudocoverversion „Ein Papst brennt“ (auf der Basis von „Kumbaya, my Lord“) nachvollziehen kann. Hier ist jemand am Werk, der seine Gliedmaßen nicht in angemessenem Maße zueinander unter Kontrolle hat und dem ich aus diesem Grund nahelegen möchte, von der Bedienung eines Instrumentes jedweder Art, im Speziellen aus der Rhythmusgruppe, abzusehen, oder bestenfalls über eine Alternative zu einer musikalischen Karriere nachzudenken. Der Ansatz, stattdessen eine elektronischen Ersatz zu nutzen, ist aufgrund der dilettantischen Umsetzung bedauerlicherweise genausowenig zielführend.

Nicht ganz so letztgültig, aber nichtsdestotrotz vergleichbar harsch fällt die Kritik aus, wenn wir die Melodieinstrumente betrachten, die sich hier im Wesentlichen auf eine verzerrte E-Gitarre und eine Bass-Gitarre beschränken. Erstgenannte wird im Arrangement doppelt und sehr vordergründig genutzt, zum einen zumeist als die auf Grundtöne beschränkten Basslinien mit Powerchords begleitende Rhythmusgitarre, zum anderen als führende Leadgitarre, welche allerdings in der Melodieführung nicht über die Nutzung der einzelnen Akkordbestandteil und bestenfalls deren harmonischen Erweiterungen, und das bei zwei aufeiander folgenden Tönen höchstens im Quartabstand, hinausgeht. Daraus ergibt sich, wie man treffend in „Napalm“ nachhören kann, eine harmonische Einfachheit, wie man sie sonst nur in der Volksmusik bzw. im Pagan Metal finden kann und die allzu oft deutlich die Grenze zur Debilität überschreitet. Dies kommt jedoch der hörbar begrenzten Fingerfertigkeit des Gitarristen, an der vor allem der Mangel an einem auch nur angemessen genutzten Legato auffällig ist, entgegen. Diese wird durch die kritisch zu betrachtende Produktion, die an einen vertonten Sumpf erinnert, glücklicherweise gelegentlich kaschiert.

Der Versuch, die eindimensionale Instrumentierung durch elektronische Elemente (vor allem Keyboardsounds aus Instrumenten im unteren Anschaffungspreisbereich) und eine Variation der Gitarreneffekte, insbesondere einen kurzzeitigen Wegfall der Verzerrung, aufzulockern, ist prinzipiell löblich. Der künstlerischen Umsetzung mangelt es jedoch an Versiertheit, sowohl in kompositorischer (die natürlichen Eigenarten, Stimmfärbungen und Tonlagen der emulierten Instrumente bleiben sträflich ungenutzt beziehungsweise werden ignoriert) als auch in darbietender Hinsicht. Hier hätte es sich angeboten, die Aufnahme bereichernde Gastmusiker vom Fach hinzuzuziehen.

Kompositorisch bemühen sich die Musiker um das Einbeziehen von Elementen verschiedener Strömungen zeitgenössischer Rockmusik. Auf der Grundlage von Black Metal finden sich hier in scheinbar wahlloser und unbegründeter Reihenfolge Vermengungen mit Versatzstücken aus dem Death Metal, die über Riffideen einfachster Art nicht hinausgehen, und an Pagan Metal erinnerende Einflechtungen, über deren Sinnhaftigkeit sich sagen lässt, dass die Musiker sie mutmaßlich unfreiwillig genutzt haben werden. Stilistisch ist das Werk inhomogen und anspruchslos.

Der künstlerische Gesamtausdruck der Musikgruppe entbehrt nicht eines gewissen infantilen Reizes. Hier sind neben der klischeebehafteten Auftrittsweise insbesondere die unorthodoxen muttersprachlichen Titelierungen und Textbestandteile zu nennen, die Elemente aus dem Militärischen („Scherbenkotsplittergranate“, „Napalm“), der Welt des Kulinarischen und der Körperausscheidungen („Messias als Gulasch“, „Scherbenkotsplittergranate“), dem Rustikalen und Fischigen („Traktor auf dem Laichenacker“), der Religionskritik („Ein Papst brennt“, „Messias als Gulasch“) und der sprachlichen Parodie („Deutsch“) enthalten. Auch wenn dies zunächst eine thematische Mehrdimensionalität und Reflexionsfähigkeit in Bezug auf Themen der eigenen Lebenswelt impliziert, ist die tatsächliche Umsetzung aufgrund ihrer sprachlichen Einfachheit und der Darbietung, die nicht selten blamabel wirkt, nicht mehr ernüchternd zu nennen. Auch hier eingeflochtene parodistische Elemente (vgl. „Ein Papst brennt“, „Deutsch“) offenbaren eine fragwürdige Herangehensweise mangelnder Ernsthaftigkeit, die den Leser zu oft zur Fremdscham nötigen.

Ich komme nach einer eingehenden Betrachtung zu dem Fazit, dass ich das hier zur Sprache gebrachte Zweitwerk aus verschiedensten Gründen, von denen ich hoffe, sie im vorangegangenen Text zur Genüge dargelegt habe, nur mit allergrößten Einschränkungen und bei besonderen Anlässen (beispielsweise als Alternative zur morgendlichen Radiocomedy) zum Hörgenuss empfehlen kann. Bevor ich schließe, möchte ich die Gelegenheit nutzen und eine persönliche Anmerkung, die ich mir nach einer fast fünfzehnjährigen Tätigkeit als Musikrezensent herauszunehmen erlauben, anhängen: Ein absolut erbärmliches, peinliches, idiotisches Mistalbum.
Ich bitte vielmals um Entschuldigung für meinen ausfallenden Ton.

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26.04.2011

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3 Kommentare zu Hassmord - Scherbenkotsplittergranate

  1. der sagt:

    Der Drummer hat sich gegenüber dem Erstwerk immerhin verbessert, das sollte man anerkennen. Er ist also lernfähig. Vielleicht besteht ja noch Hoffnung… ein wenig… 🙂

  2. Grave sagt:

    Ich habe mich nicht verbessert, man hört die Drums nur besser raus. Untight oder nicht ist so eine Sache. Einem Profi-Kritiker muss ich nicht erzählen, dass die Drums im Studio als Midispur eingespielt werden und im Nachgang normalerweise an einem Gitter ausgerichtet werden. Da halte ich aber überhaupt nichts von, denn wenn ich etwas nicht spielen kann, dann spiele ich es auch nicht. Auf einen Klick Track spielen ist tatsächlich nicht so mein Ding, speziell, weil man zwischendurch immer wechseln muss, (4tel, 8tel, 16tel). Aber uncoordiniert bin ich definitiv nicht. Du solltest mich mal live erleben. Im Übrigen danke für das Review. Wenn man etwas schlecht finden will, dann sind deine Punkte durchaus dazu geeignet, die Scheibe zu verreissen. Aber es gibt massig Passagen, wo es wirklich nicht so ist. Vielleicht ist es ja doch unser Image-Problem. Oh, auf die nächste absurd lustige Bemerkung bin ich gespannt, waren ja genug Vorlagen dabei. Kommt mich auf Facebook besuchen/Grave Artist CU

  3. doktor von pain sagt:

    Für mich ist das eine echt gelungene Black-Metal-Parodie. So ganz ernst nehmen kann das doch niemand, oder? Hassmord sind ein bisschen wie die Grindfuckers des Black Metal.

    8/10