Harlots - Betrayer

Review

Es gibt sie also doch noch: Bands, die unter den Begriff „Metalcore“ fallen, aber nicht nur die gängigen Klischees bedienen, sondern ein eigenständiges Stück Musik schaffen. Eine dieser wenigen Truppen ist HARLOTS, eine vierköpfige Prügelband aus Ohio, die im Winter 2002 gegründet wurde und nach den Alben (Achtung!) „The Woman You Saw Is The Great City That Rules The Kings Of The Earth“ (2004) und „This Is The Second Death“ (2006) sowie der EP „The Human War Machine“ (2007) nun in Form des dritten Full-lenght-Albums „Betrayer“ ihren vierten professionellen Output auf den Markt schmeißt. Als Schubladendenker könnte man „Betrayer“ viele Namen geben: „Grind-Metalcore“ kam mir beim ersten Hören in den Sinn. „Progressive Metalcore“. Oder einfach „Metalcore, gepaart mit Grind-Geprügel und großem technischen Können“.

Das tolle an „Betrayer“: HARLOTS spielen nicht nur drauf los, sondern denken sich eine ganze Menge bei dem, was sie aus ihren Instrumenten quetschen. Die neun Songs mögen zwar zum Großteil Geprügel sein, aber sie sind intelligentes Geprügel.
Es geht mit „The Weight Unweighable“ los, welches in bester Grindcore-Manier anfängt und dem Hörer, der so etwas nicht erwartet, gleich einen Ellenbogen in die Hoden haut. Das löst sich in Moshpits – keine normalen, sondern unkonventionelle! -, Riffs und derbes Geshoute aus der Kehle von Sänger Christian Fillippo auf und markiert das, was den Hörer die nächsten 43 Minuten erwartet: Lärm mit Herz und Hirn. Nur zwischendurch gibt es ruhigere Momente, wie zum Beispiel in „Dried Up Goliathan“, welches noisig-verstörend daherkommt, vertrackt, progressiv und überwiegend mit Clean-Vocals gesegnet. Wer jetzt an 08/15-Metalcore denkt: Nein! Fillipos Klargesang ist kein Emo-Weichgespül, sondern zwar depressiv-klagend, aber trotzdem weitab der gängigen Gesangs-Konventionen. So wird das knapp achteinhalb-minütige, in der Grundstimmung sehr traurige, aber trotzdem aggressive Stück zu einem der Höhepunkte auf „Betrayer“, auch – oder gerade weil – es aus der Reihe sticht. Im krassen Gegensatz dazu steht das darauffolgende „Building An Empire Towards Destruction“, welches in seinen fast zwei Minuten Spielzeit alle Konsequenzen zieht und drauflosprügelt, das die Fetzen fliegen. Als weiterer Höhepunkt sei noch das Death-Metal-lastige „This Is A Test, No Flesh Should Be Spared“ genannt, ebenso das abschließende, zwölfminütige „Suicide Medley“, das ruhig anfängt, langsam bleibt, dann in einen meditativ klingenden Mittelteil übergeht, bis nach circa achteinhalb Minuten der „eigentliche“ Song beginnt und zum Schluss noch einmal alles gibt.

Es gibt auf „Betrayer“ allerdings auch eine Schattenseite: Mir persönlich fehlt eine kleine Spur Eingängigkeit, denn über die ganze Zeit wandeln HARLOTS auf dem schmalen Grat zwischen genießbarer Komplexität und abstoßendem Struktur-Überfluss. Des weiteren ist der Sound für meine Begriffe etwas sehr dumpf, unter „fett“ verstehe ich da doch etwas anderes. Aber vielleicht ist das ja auch so gewollt, wer weiß. Und wer es im Jahre des Herrn 2008 noch schafft, das Metalcore-Genre mit so viel Frische und Energie zu füllen, der verdient es sich, einen Punkt alleine für die Innovation obendrauf gerechnet zu bekommen. Deshalb: neun dicke, fette Punkte!

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01.02.2008

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