Haken - Virus

Review

Soundcheck Juni 2020# 5 Galerie mit 15 Bildern: Haken - Empath Europe - Volume 1 Tour 2019

In der neuen Welle des Prog, wenn man so möchte, ist HAKEN ein Name, den man nicht mehr vielen vorstellen muss. Eigentlich in atmosphärischen Prog-Gefilden beheimatet und mehr an den Klassikern orientiert haben sich die Briten seit ihrem Debüt „Aquarius“ praktisch ohne größere Ausfälle bewährt. Nach einem stark mit dem goldenen Zeitalter des Prog liebäugelnden dritten Album machte sich die Band auf in Richtung Gegenwart. Zunächst mit kleinen Schritten, denn die Herren tasteten sich mit „Affinity“ erstmal zu den Achtzigern vor. Mit „Vector“ machten sie dann einen Satz und kamen dort an, wo sie jetzt stehen.

Eine Band, die sich konstant weiterentwickelt

Auf „Vector“ folgt nun das ikonografisch nicht unähnlich aufgemachte „Virus“, das seinen Namen entgegen der Erwartung eingedenk aktueller Verhältnisse nicht von COVID-19 erhalten hat. Das „Virus“ bezieht sich eher beispielsweise auf die Ein- und anschließende Fortpflanzung eines Gedanken, wobei HAKEN hier wie gewohnt Raum für weitere Interpretation lassen. Ein Referenzpunkt, mit dem die Herren um Goldkehlchen Ross Jennings allerdings offen umgehen, ist der „Cockroach King“, dessen Mythos nicht nur mit „Vector“ und nun „Virus“ erforscht, sondern auch motivisch aufgegriffen wird – in diesem Falle spezifisch im Fünfteiler „Messiah Complex“.

Beim Durchhören des besagten Kernstücks nämlich springen einem besonders prominent im vierten Teil „The Sect“ und im fünften Teil „Ectobius Rex“ (was im übrigen „Kakerlakenkönig“ heißt) beispielsweise die Gesangslinien jenes großartigen Songs von „The Mountain“ entgegen. Die Selbstreferenzen verbleiben teilweise auch im Radius des Albums selbst. So gibt es auch auf Melodien beispielsweise des Openers „Prosthetic“ ein Callback, sodass sich „Virus“ einmal mehr als wunderbare, in sich verwurschtelte (aber nicht verkopfte) Angelegenheit für progressive Schnitzeljäger anbietet.

Das „Virus“ breitet sich aus – Infektionsrisiko: Hoch!

Es schließt aber auch musikalisch an „Vector“ an und greift dessen metallische Ader wieder auf, was sicher auch an der Produktion liegt, die wieder von Adam „Nolly“ Getgood (PERIPHERY) gehändelt worden ist. Es klingt insgesamt aber etwas runder und natürlicher. Als einziges nennenswertes schwarzes Schaf tummelt sich „Canary Yellow“ in der Trackliste, das den Kopf etwas zu sehr in den Wolken hängen hat hin zum Punkt, dass der Song vor allem gegen Ende fast schon in Richtung Shoegaze abdriftet. Nicht per se schlecht hängt der Song im Gegensatz zur Konkurrenz ringsum doch ein bisschen lose in der Luft.

Doch sonst sitzen die Kniffe bei den Briten. HAKEN finden wieder das gesunde Maß zwischen Komplexität und Technik auf der einen sowie Eingängigkeit und den Blick fürs Zeitgemäße auf der anderen Seite. Der Grad an Härte wird dem Hörer praktisch immer in wohl bekömmlichen Dosen verabreicht, wobei das erwähnte „Canary Yellow“ eher ein Light-Snack für zwischendurch darstellt. Es passt aber, da sich der Fünfteiler „Messiah Complex“ direkt anschließt. Und der Übergang vom Vor-Track „The Strain“ zu „Canary Yellow“ läuft auch butterweich.

HAKEN halten die Balance und marschieren souverän weiter

Songtechnisch gibt es um „Canary Yellow“ herum praktisch kaum etwas zu beanstanden. Der Opener „Prosthetic“ geht mit brachialen Riffs in die Offensive. Statt den Hörer „auf ein Abenteuer mitzunehmen“ wird er kurzerhand am Schlafittchen gepackt und mitgerissen. „Carousel“ wartet vereinzelt mit Riffs auf, die unsereins sich so auch auf TOOLs „Lateralus“ hätte vorstellen können, wobei der Song dann doch etwas mehr Erde aufwirbelt und eindeutig die Handschrift von HAKEN trägt. Das Gitarren-Tapping sowie der epochale Part vor der abschließenden Hook schlagen zusätzlich ihre Haken (hähä) in die Gehörgänge, um dort zu verweilen.

Eine wilde Odyssee legt der Longtrack „Messiah Complex“ hin, während das abschließende „Only Stars“ mit seiner eindringlichen Stimmung zunächst unter die Haut und dann in die Magengrube krabbelt. Damit deckt das „Virus“ eine ordentliche Bandbreite ab. Härte, Gefrickel, aber auch Einfühlsamkeit und Atmosphäre, alles schön miteinander ausbalanciert und klar strukturiert – das ist HAKEN durch und durch. Egal ob man nun nach den kleinen Details oder den großen Songs sucht – beides findet man hier. Und es ist mehr als zufriedenstellend angerichtet. Infektionsrisiko: Hoch! In dem Falle ausnahmsweise eine gute Nachricht…

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17.07.2020

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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