Musikalische Eintönigkeit kann man HAIL SPIRIT NOIR ohnehin nicht vorwerfen, doch was die Griechen mit „Fossil Gardens“ veröffentlichen, ist mehr als nur ein Album – es ist eine Offenbarung.
„Fossil Gardens“ – romantische Verzweiflung
Wo liegt der Unterschied zwischen Depression und Melancholie? Ersteres ist das Fehlen von Hoffnung, eine lähmende Antriebs- und Kraftlosigkeit. Melancholie dagegen versucht in der Finsternis Schönheit zu entdecken. Warum ist diese Erklärung wichtig?
Musiker loten immer wieder die Unterschiede beider Motive aus und verarbeiten sie – das gilt auch für den Black Metal. Allerdings ist es oft so, dass melancholischer Black Metal „poppig“ wirkt. Operngesang und Orchester heben zwar die Atmosphäre, verwaschen aber das Gefühl des düsteren Metals. An dieser Stelle treten HAIL SPIRIT NOIR auf den Plan.
Dass die Griechen sich nicht mit „darf man“ und „darf man nicht“ abgeben, bewies bereits ihr Electronic-Album „Mannequins“, das sowohl den bleichgeschminkten Puristen als auch den Dance-Liebhabern dieser Welt den Mittelfinger zeigte. Mit „Fossil Gardens“ bringt das Quintett sein Opus Magnum auf den Markt. Geschickt verbinden die Hellenen die Schönheit des Universums mit der Verzweiflung seiner Unendlichkeit.
HAIL SPIRIT NOIR heben den Black Metal in den Kosmos
Zugegeben – wenn Theorasis in einem der ersten Verse mit seiner wunderschönen Stimme „what a great time, to be alive“ singt, wirkt das erst einmal nicht besonders düster. Das Intro von „Starfront Promenade“ ist allerdings keine Melodic-Black-Metal-typische Einleitung, die mit kurzzeitiger Schöngeistigkeit jede kommende Folter der Instrumente verteidigen soll. Vielmehr ist der Song der Beginn eines Weltraumepos.
Ob beabsichtigt oder nicht, „Fossil Gardens“ huldigt mit jedem Akkord der bedrückenden Leere des Alls. Theorasis’ Wechsel zwischen stimmigem Klargesang und brutalen, kalten High-Pitch-Screams schmiegt sich wie ein seidenes Kleid um harte Riffs. Das Gitarrensolo von „Road To Awe“ knallt dem Hörer progressiv um die Ohren, nur damit er sich mit „Ludwig In Orbit“, dem wahrscheinlich schönsten Zwischenspiel der Metalgeschichte, erholen kann. Nach der Verschnaufpause entlassen ihn HAIL SPIRIT NOIR dann mit dem musikalischen Urknall „Fossil Gardens“. Wie gut, dass es auf modernen Abspielgeräten eine Repeat-Funktion gibt.
Gibt es Perfektion?
Nach dem ersten Hören der Platte fragt man sich: Kann ein Album so rund sein? Ist es möglich, eine perfekte Platte zu erschaffen, ohne dabei an Komplexität einzubüßen? HAIL SPIRIT NOIR behalten ihren progressiven Anspruch bei und trotz Einstiegshürden, hat „Fossil Gardens“ eine angenehme Art, neue Hörer für sich einzunehmen. Melodien und Brutalität wechseln sich ab, ohne einander wertvolle Spielzeit zu stehlen. Die sieben Songs hypnotisieren, laden auf eine Reise in die Weite des Alls ein und breiten danach ein sanftes Bett der Erholung aus. „Fossil Gardens“ ist ein packender musikalischer Dark Ride und kaum ist die Fahrt beendet, steigt man wie in Trance wieder in den Wagen.
Jo, da gebt dem Ding doch auch die (mindestens) 9/10 😀