Haavard - Haavard

Review

Der Norweger Håvard Jørgensen erfreut die Anhänger alter ULVER mit seinem Solo-Projekt HAAVARD, dessen selbstbetiteltes Debütalbum gerade veröffentlicht wird.

Håvard Jørgensen – der Mann hinter HAAVARD

Gitarrist und Sänger Håvard Jørgensen ist natürlich kein Unbekannter. Zunächst war er Gitarrist bei der Death Metal-Band ECZEMA, zusammen mit Schlagzeuger Exhurtum alias Carl-Michael „Aggressor“ Eide (AURA NOIR, INFERNÖ, CADAVAR, ULVER) und Bassist Vegard „Wargod“ Tønsberg Bakke, die sich dann dem Black Metal zuwandten und in SATYRICON umbenannten. 1993 wurde er dort von Satyr rausgeschmissen und er trat ULVER bei, wo er vom ersten „Rehearsal“-Demo von 1993 bis „Perdition City“ (2001) Mitglied blieb. Aktiv ist er heute u. a. bei DOLD VORDE ENS NAVN, eine Black Metal-Band mit aktuellen und ehemaligen Mitgliedern von DØDHEIMSGARD.

HAAVARD – die Fortführung des eigenen musikalischen Erbes

Mit seinem Debütalbum „Haavard“ knüpft Jørgensen an sein eigenes musikalisches Vermächtnis an, insbesondere den frühen ULVER. Und zwar an einem Album, das damals zunächst nicht nur auf Gegenliebe stieß. Denn nach dem träumerisch-schroffen Debütalbum „Bergtatt“, das hymnischen Pagan / Black Metal mit innovativen Songstrukturen und Melodiebögen enthielt, folgte mit dem akustischen „Kveldssanger“ 1996 ein Album, das mit nordischer Folklore überraschte und nicht wenige Black Metal-Fans zunächst vor den Kopf stieß. Und gleichzeitig mit seiner strahlenden Schönheit und Magie, mit seinem märchenhaften Zauber und sagenhafter Atmosphäre, dem in der Musik lebenden rohen Naturell mit metallischer Urkraft trotz purer Folklore, offene Musikbegeisterte in den Bann nahm und damit eine gewaltige Wirkungskraft bis heute ausübt. Diese inspirierende Strahlung beeinflusste maßgeblich Bands wie EMPYRIUM, DORNENREICH, LÖNNDOM, OCTOBER TIDE, um nur einige zu nennen.

Håvard war als einer der Komponisten auch einer der Hauptverantwortlichen für den damaligen Stilwandel hin zu „Kveldssanger“, und „Haavard“ wird als quasi Fortsetzung dieses Werk angepriesen. Tatsächlich pflegt Jørgensen unter dem Banner HAAVARD einen ähnlichen Stil, versucht daran anzuknüpfen, was ihm teilweise auch gelingt. Aber das Album zeigt auch weitere Facetten, eine Weiterentwicklung, was sicherlich auf die langjährige Erfahrung von Håvard zurückzuführen ist. Und dabei greift er auf viele Gastmusiker zurück, dabei auch auf Sänger Kristoffer „Garm“ Rygg, der eben auch seinen gehörigen Beitrag zu „Kveldssanger“ leistete.

Das versierte Akustikgitarrenspiel ist feinfühlig, erinnert an einigen Stellen etwas an das Spiel von Espen Jørgensen, was gleich zu Beginn beim eröffnenden „Printemps“ für wunderbare Atmosphäre sorgt. Zusammen mit dem simplen Rhythmus, der sich dynamisch aufbauenden Spannung und den Streicherarrangements (Evan Runge an der Violine und Raphael Weinroth-Browne am Cello) ergibt sich eine Mischung aus Kammermusik und Soundtrack, weniger Folk. Ebenfalls einen Soundtrack-Charakter hat das äußerst düstere, bedrohliche „Heartwood“, wobei dem Stück ein wenig die wünschenswerte Eindringlichkeit fehlt. Mit „Oberon“ werden HAAVARD aber wieder richtig groß, stimmungsvolle Flötenklänge (von Kristine Marie Aasvang) und Streicher vermitteln die wohlige Atmosphäre einer märchenhaften Waldlandschaft. Zauberhaft!

Weitere Höhepunkte auf „Haavard“ sind das überraschend überhaupt nicht düsterem Norden klingende „Emanuelle“, das vielmehr mit Flamenco-Klängen Richtung Andalusien und Akkordeon (von Lars Nygaard) Richtung Frankreich musikalisch verortet. Natürlich auch das programmatisch betitelte „Kveldssang II“, das tatsächlich mit vertrauter Melodie nostalgisch den Bogen zum eigenen Referenzalbum spannt. Und noch ein Deut zurück zu 1996 – „Mot Soleglad“ enthält als einziges Stück richtigen Gesang von keinem anderen als Kristoffer „Garm“ Rygg.

Dazwischen gesellen sich leider aber auch einige Längen, was zu Lasten der Spannung geht. Und bei aller positiven Weiterentwicklung, „Haavard“ ist stilistisch viel breiter aufgestellt, deutlich opulenter und überraschend abwechslungsreich, nicht nur das versierte Gitarrenspiel zeugt von deutlich größerer Reife. Inspiration kann man Håvard Jørgensen nicht absprechen, schließlich kopiert er nicht einfach, sondern geht den Weg weiter. Aber es fehlt es dem Album auf emotionaler Ebene ein wenig was von dieser jugendlich romantisch-naiven Schwärmerei und Ungestümtheit. Gut ist das Album, welche Wirkkraft es dereinst haben wird, wird die Zukunft weisen.

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09.12.2022

Geschäftsführender Redakteur (stellv. Redaktionsleitung, News-Planung)

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