Guns N' Roses - Use Your Illusion I

Review

Wenn auf die Veröffentlichungen des Jahres 1991 zurückgeblickt wird, was angesichts des runden Geburtstags momentan häufig gemacht wird, dann werden natürlich vor allem die Scheiben von METALLICA und NIRVANA mitsamt der losrollenden Grunge-Lawine genannt. Doch die beiden „Use Your Illusion“-Alben werden höchstens beiläufig genannt. Dabei hatten sie im Vorfeld einen riesigen Hype entfacht. Seit dem Release von „Appetite For Destruction“ sind vier Jahre vergangen, die Band hatte sich in den Jahren zuvor rar gemacht. Kein Wunder, dass am 17. September in dem Jahr mitternachts eine Vielzahl an Fans die Plattenläden stürmten. Rund 500.000 Exemplare sollen in den ersten beiden Stunden abgesetzt worden sein. Davon auch eine handvoll bei DJ’s Records in Superior, Wisconsin.

Wie groß die Sleaze-Rocker waren, lässt sich an dem Umstand erkennen, dass sie an zweiter Stelle in ihrer Diskografie schon ein Doppelalbum veröffentlichen konnten. Selbst viele gestandenere Bands sind damit nicht unbedingt durchgekommen. Diese hatten jedoch im Gegensatz zu den Kanonen und Rosen meist ein übergeordnetes Konzept. Daher macht es mehr Sinn, die beiden „Use Your Illusion“-Alben als Summe ihrer Teile zu sehen.

„‚Cause nothin‘ lasts forever / And we both know hearts can change“

Die Band hat vor kurzem als ersten neuen Song seit 13 Jahren und der Reunion ein Überbleibsel der „Chinese Democracy“-Sessions veröffentlicht. Diese Vorliebe für’s Recycling hatte sie damals schon. Etwa die Songs ‚Don’t Cry‘, ‚Bad Obsession‘, ‚Back Off Bitch‘, ‚November Rain‘ und ‚The Garden‘ existierten allesamt schon bei der Veröffentlichung von „Appetite For Destruction“. Doch dieser Rückgriff auf altes Material hinderte die Gruppe nicht daran, die stilistische Bandbreite des Albums zu erweitern: Kurze, schnelle Punk-Songs wie ‚Right Next Door To Hell‘ oder ‚Perfect Crime‘ stehen neben Folktracks wie ‚You Ain’t The First‘ und anderen Balladen. Da wäre zuallererst ‚November Rain‘ zu nennen. Dieses melancholische Lied punktet vor allem durch seine opulenten Sound. Das Finale setzt diesem Stück das Sahnehäubchen auf.

Abseits der Balladen stellt die Band auch unter Beweis, dass sie hypnotische Atmosphären erzeugen kann. Wie etwa in ‚The Garden‘, wo Slash mit der verträumten Hauptmelodie einen der großen Momente des Albums liefert. In diese Kategorie gehört auch das abschließende Epos ‚Coma‘, welches durch Simplizität, seine hypnotische Atmosphäre und dem Midtempo-Rock zu begeistern weiß. Die Songtexte sind zudem nicht mehr so hedonistisch geprägt: ‚Bad Obsession‘ befasst sich noch mit Drogenkonsum. Weiterhin typisch ist es aber auch, Konflikte mit anderen Personen auf Platte zu zerren, wie es in ‚Back Off Bitch‘ oder ‚Right Next Door To Hell‘ geschieht. Letzterer Song basiert auf gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Roses damaliger Nachbarin, wegen denen er inhaftiert wurde.

„Use Your Illusion I“ ist noch ein GUNS N‘ ROSES-Album

Der erste Teil des Doppelalbums ist nicht so stark von Axl Rose geprägt, sondern noch mehr ein Gemeinschaftswerk, was der Scheibe hörbar tut gut. Slash veredelt die Songs durch seine Gitarrenarbeit und kann sich noch mehr austoben als auf dem Vorgänger. Sei es sein barockes Solo in ‚November Rain‘ oder das Flamenco-Outro in ‚Double Talkin Jive‘. Izzy Stradlin hingegen bringt andere Klangfarben rein. Entweder durch das eingängige Folkstück ‚You Ain’t The First‘ oder das Southern-Rock-geprägte ‚Bad Obsession‘. Davon profitiert auch ‚Live And Let Die‘, welches inzwischen vielfach dem Original von PAUL MCCARTNEY AND WINGS vorgezogen wird. Zwar ist das Cover eng am Original, besticht aber dank des ausgefeilteren Sounds und der druckvolleren Produktion.

Dem stehen aber auch verzichtbare Songs entgegen. Es darf angezweifelt werden, ob das Album durch das Weglassen der kurzen Punk-Songs wie ‚Garden Of Eden‘ sinnentstellt wäre. Die meisten Tracks sind für sich genommen cool, aber sie verbindet letztlich vor allem der gemeinsame Sound: Das straighte Drumming von Matt Sorum, die spielerische Leadgitarre von Slash. Doch wie eingangs erwähnt wurden die Songs im Gegensatz zu „Appetite For Destruction“ zusammengeschmissen, was natürlich auch den Hörspaß mindert. Die Musikwelt hätte nichts verpasst, wenn Füller wie ‚Garden Of Eden‘ nicht enthalten wären. So kommt es dazu, dass der Hauptpunkt der beiden „Use Your Illusion“-Alben deren Länge sind. Nicht die fantastischen Balladen oder das offene Kokettieren mit dem Punk.

GUNS N‘ ROSES haben mit „Use Your Illusion I“ gezeigt, dass sie musikalisch durchaus in der Lage waren, an ihren Erfolg anzuknüpfen. Sie haben eine andere Seite von sich gezeigt, die auch positive Resonanzen erzeugt hat. Die Band ist aber in den folgenden Jahren vor allem an sich selbst gescheitert. An ihren Starallüren, ihrer mangelnden Kommunikation untereinander und nicht zuletzt an ihrem Drogenkonsum. Fraglich ist auch, wie sie damals noch in den Zeitgeist gepasst hätten. So kommt man leichter auf die Idee, das Ende dieser GUNS N‘ ROSES-Inkarnation als selbstbestimmt zu romantisieren, aber dabei waren es vor allem innere Gründe, die diese Band runtergerockt haben.

17.09.2021
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