Gruenewald - II

Review

Der lebt aber in seiner ganz eigenen Welt! – Wer diesen Ausspruch über sich ergehen lassen muss, der hat es häufig mit Häme und Spott, aber nur selten mit Bewunderung zu tun. Nun ist Verwunderung das Mindeste, was sich Christian Kolf mit seinem jüngst eingespielten GRUENEWALD-Kunst- und Meisterwerk „II“ einhandeln darf. Sollte sich Bewunderung dazu gesellen, wird es mich nicht wundern, denn „II“ tönt wahrlich aus einer ganz eigenen Welt zu uns herüber.

Mit dem urig-düsteren Album „Glorification Of Pain“ seiner Band VALBORG konnte Kolf mich bereits vor einigen Monaten hinter dem Ofen hervorlocken, eine weitere faustdicke Überraschung beschert er uns dieser Tage mit dem zweiten GRUENEWALD’schen Opus, der so klingt wie… ja, wie eigentlich? Vielleicht wie ein stolzer, zugleich verschrobener Abkömmling von Doom Metal und Post Rock? Allenfalls phasenweise, denn es gibt da etliche Momente, welche sich verdächtig leise ausbreiten, fast, aber wirklich nur fast, ruhig und entspannend klingen, und doch den Sturm in der vermeintlichen Ruhe in sich tragen – wobei Sturm nicht wörtlich zu nehmen ist für eine Komposition, welche wie das einleitende Stück „Geist“ erst nach neuneinhalb Minuten Fahrt aufnimmt. Geisterhaft klingt auch der Rest des phantastisch produzierten Albums: Gesang im herkömmlichen wie im subkulturell typischen Sinne gibt es nicht zu hören, dafür verlautbaren Christian Kolf und Jan Buckard mit klangvollen Stimmen so etwas wie Erinnerungen an namentlich nicht ausdrücklich genannte Naturerscheinungen. Insbesondere die Gitarren lullen den Hörer mit schönen warmen Klängen ein, die Melodien bergen gerade zum Ende des Albums hin etwas kaum greifbares Unheilvolles und nicht von ungefähr erinnern die kräftigen Stimmungsfarben dieser Musik an ANATHEMA („The Silent Enigma“), LONG DISTANCE CALLING oder PINK FLOYD.

Der Künstler selbst öffnet an seiner Kommode im zeitgenössischen sozialen Netzwerk die Schubladen „Experimental“ und „Minimal“, und der Spaß an dieser Abschreckung von Ottonormalkrachkonsumenten sei ihm verziehen. Wer jedoch nicht davor zurückschreckt, einige weitere Schubladen zu öffnen, um in das innere des dunklen Schranks zu kriechen und dort einer Aufführung von GRUENEWALDs „II“ beizuwohnen, der wird wohl mit der Erkenntnis zurückkehren, dass Kolf zweifelsohne in seiner ganz eigenen Welt musiziert, arrangiert und experimentiert.

Mit dieser Veröffentlichung widerlegt der junge Zeitgeister-Musikverlag erneut all jene Kritiker, welche den Bonner Bands hinter vorgehaltener Hand den leidigen Inzest-Vorwurf machen, denn neben KLABAUTAMANN und VALBORG entwickelt nun auch GRUENEWALD eine individuelle Identität, die weit spannender ist, als es der seltsame Name (der mich an einen lokalen Turnverein erinnert) erahnen lässt.

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16.12.2009

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