Was GRORR hinsichtlich ihrer orientalisch bis fernöstlich anmutenden Arrangements auf ihrem neuen Album „Ddulden’s Last Flight“ leisten, ist schon ganz große Kunst. Leider ist die Presseinfo, was das Personal und die Instrumentierung angeht, relativ nichtssagend. Daher kann ich nur vermuten, dass teilweise von Sylvain Kansara gespielte, organische Sitars zum Einsatz kommen, die in jedem Falle ähnlich überzeugend inszeniert sind wie bei den kanadischen Rockern THE TEA PARTY.
Die französischen Prog Metaller verstehen es in jedem Falle einfach, eine Welt durch liebevoll kreierte Soundlandschaften lebendig erscheinen zu lassen, sodass dem Hörer ein ums andere Mal die Abenteuerlust packt. Statt eines Gedichts ist es jedoch diesmal laut Pressetext das Script eines (zum Zeitpunkt des Verfassens) unvollendeten Filmes, der vom Werdegang des titelgebenden Helden Ddulden handelt. Man kann sich den fertigen Streifen aber dank der großartigen Arbeit in Sachen Arrangements gut vor dem geistigen Auge vorstellen. Ihr Feingefühl für cineastisches Flair haben die Franzosen damit schon einmal unter Beweis gestellt.
GRORR provozieren auf „Ddulden’s Last Flight“ eine Bruchlandung
Doch dann setzt die Djent-Komponente des Sounds ein. Und hiermit zerfrickeln sich GRORR teilweise die so liebevoll und mühsam aufgebaute Stimmung komplett, was gleich doppelt ärgerlich ist, da abgesehen davon eigentlich alles im Lot ist. Der diesmal auf gutturale Vocals verzichtende Gesang von Franck Michel (u. a. LIVHZUENA) mutet auf den ersten Hör zwar wie Post-Grunge-Genöle á la Scott Stapp an, aber tatsächlich transportiert seine raue Stimme eine Menge Emotionen. Leider sind vor allem die tiefer gelegten Gitarren dermaßen penetrant in den Vordergrund gemixt, dass sie oft das Geschehen drum herum überlagern, was vor allem dann wehtut, wenn sie doch mal gekonnt in den Sound integriert sind wie im Rausschmeißer „Last Flight“, der die klangliche Verwandtschaft des Djent mit traditioneller, indischer Musik noch am treffendsten darstellt.
Das wäre alles nur halb so schlimm, wenn die Band ihren Djent-Modus regelmäßig variieren würde. Aber es sind, was die Downtuning-Gitarren angeht, immer die gleichen, zugegeben tatsächlich mal polyrhythmisch gespielten Staccato-Riffs, die das ansonsten so schöne Klangbild zerfurchen, wann immer sie zum Einsatz kommen. Weniger störend klingen sie höherbündig gespielt wie in „Sirens Call“. Am stärksten sind GRORR aber zweifelsohne, wenn sie diesen masturbativen Mist komplett sein lassen und sich auf ihre Stärke der Lautmalerei verlassen. In „Hit The Ground“ tun sie genau das und feuern damit den eindrucksvollsten Track der Platte raus. Hier vereinen sich orientalische und fernöstliche Folk-Klänge mit präsentem Bass und geschäftig perkussivem Schlagzeug zu einer wahren Meisterleistung.
Aber sie reißen das Ruder mit ihrem Fingerspitzengefühl dann doch noch um
Die Franzosen sind wie eingangs erwähnt einfach so stark darin, die Abenteuerlust im Hörer zu schüren, dass sie abseits der Passagen, die sie mit ihrem Djent zu sehr zerfurchen, großes Kino für die Ohren zu erzeugen. Neben „Hit The Ground“ tun sie das in Teilen von „Blackened Rain“ sowie „Newborn Whirlwind“, auch wenn die zugegeben erfreulich nach den „Polaris“-TESSERACT klingenden Riffs hier ebenfalls einen Ticken zu repetitiv sind. Wer die kalte Technik hinter dem Djent schätzt, wird hier vermutlich deutlich mehr Freude dran haben als unsereins. Wer dagegen ein kohärentes Gesamtkunstwerk sucht, wird hier vermutlich ebenso wie ich mit einem lachenden und einem weinenden Ohr rauskommen, wobei das Lachen aufgrund der meisterhaft arrangierten Klanglandschaften leicht überwiegt.
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