Greg Koch - Radio Free Gristle

Hier haben wir wieder so ein begnadetes Exemplar extrovertierter Ausnahmegitarristen… Greg Koch lässt wieder sein Doppel-Dutzend Finger über die weite Prärie seines Riffbretts galoppieren – leider missbraucht er diesmal die Nerven seiner Zuhörer als Zügel, die nicht selten doch arg auf die Zerreißprobe gestellt werden. Was sich auf „The Grip!“ noch angenehm die Waage hielt, schlägt auf dem aktuellen Output doch sehr um in einseitiges Auskosten aller erdenklichen technischen Möglichkeiten dieses weiß Gott begnadeten Protagonisten. Der Schwerpunkt auf rein instrumentale Wirkung der Sücke gesteht Kochs sechs Saiten eine maßlose Vorrangstellung zu, die wie selbstverständlich in der dargebotenen stilistischen Vielfalt maßlos ausgekostet wird. Zu oft muss sich die mindestens ebenso unerhörte Bass-Arbeit hinter zeitgleich lodernden Gitarrensoli zurückziehen (atemberaubende Ausnahme mit allessagendem Titel: „Death Of A Bassman“). Jedoch ist es gerade jene Reichhaltigkeit an stilistischen Variationen, die erfreulicherweise (und, wenn wir ehrlich sind, wie erwartet) eigentlich jedem Gitarrenfreund eine Zugangsmöglichkeit zu dieser Scheibe ermöglicht, denn unter Rock („The Mansqwatch Articles“), Blues („Torn“), Free und Acid Jazz („Sassy Strumpet“) oder Country (brilliant: „Ila Rose“) und einigen verdammt räudigen Riffs dürfte für jeden ein Bissen abfallen. Ob man folglich aber gleich das ganze Gebäck erwerben sollte, ist natürlich fraglich. Für jene Spezies, denen man angesichts ihres innigen Umgangs mit ihrer Gitarre allgemein eine erotische Beziehung zu dieser nachsagt, ist diese Scheibe ohnehin auf einer Höhe mit VAI und SATRIANI einzurahmen. Doch Vorsicht: Auch Radio Free Gristle verlangt in jedem Fall nach der ungeteilten Aufmerksamkeit des Zuhörers – anders als das Prädikat „Instrumental-Scheibe“ es vielleicht heucheln wollte. Als eher multiinstrumental interessiertem Musikfreund allerdings bietet mir dieses Album trotz seiner sprühenden Lebensfreude und Ideenvielfalt leider einen jener traurigen Momente, in denen ich ein technisches Meisterwerk mit fahrigen Fingern entnervt aus der Rotation fische.