Green Carnation - A Blessing In Disguise

Review

Der optische Eindruck täuscht nicht. Schlichtheit. Melancholie. Versonnenheit. Einsamkeit. Liebe. Schönheit… die Zahl der Impressionen, die das bescheidene Artwork des dritten Albums der Norweger ankündigt, lässt der musikalische Inhalt noch um Längen hinter sich, ohne ihnen jedoch jedwedes Maß an Intensität abzusprechen. Gleich das Eröffnungsspektakel „Crushed To Dust“ macht das Kraftpotenzial und zugleich die Rockfestigkeit dieses im Regal doch so unscheinbaren Werkes deutlich. Ein überwältigend strömender Refrain jenseits aller rettenden SENTENCED-Ufer reißt den Hörer in einen Strudel mächtiger Melodieführung, bevor die Strophe durch ein steiniges Bachbett hastet und schließlich in den nächsten Strudel gesogen wird, man sich nun fast sehnt, in dem wunderschönen Wirbel übermächtiger Melodie orientierungslos zu ertrinken. – Doch mit „Lullaby In Winter“ folgt ein Stück, das wie ein melancholisches Negativ des Openers wirkt. Dem Ausdruck von Orientierungslosigkeit und Verwirrung folgt nun die Besinnung, die nun mit dem stärksten aller vermittelten Gefühle einhergeht: Hoffnung. Diese Hoffnung, die im Satz „…but I can promise you a spring“ einen einzigartigen Ausdruck findet, durchzieht fortan die Musik, immer wieder gedämpft durch die düsteren Ausflüge in die Vergangenheit, die zumeist aus der Hand von Mastermind Tchort flossen. Über die tiefen musikalischen Seen, denen eine brilliante Produktion eine unverfälschte Klarheit verleiht, streicht immer wieder der klagende Wind der Hammond-Orgel. Eine schwermütige Moll-Elegie des Pianos trauert in „Two Seconds In Life“ zum Takt der zurückhaltenden Besen-Drums und der einmal mehr überragenden Ausdrucksschönheit von Sänger Kjetil Nordhus. Welch ergreifende Erzählung gelebter Meancholie! – Die Wurzeln dieser immer wieder zur einfachen Rockmusik zurückfindenden Epen liegen mit Sicherheit in den 70ern. Vergleiche mit den DREADFUL SHADOWS zu „Buried Again“-Zeiten oder gesundgehungerten SENTENCED werden zwar der stimmlichen Meisterleistung nicht gerecht, liegen zum Teil aber dennoch recht eng an („Myron & Cole“). Ferner sind einige Ausflüge in Prog Rock-Bereiche nicht bestreitbar, dokumentieren aber keinesfalls einen Schwerpunkt dieses weitgehend straighten Albums. Als einzig erwähnenswerter Makel bleibt eine seltsame Analogie zu bemerken: Schwerer als die Übernahme der Textzeile „Cross My Heart And Hope To Die“ aus dem gleichnamigen SENTENCED-Song wiegt eigentlich die Verteilung eben dieser Zeile (und der folgenden) auf eine Hookline in “As Life Flows By”, die exakt Michael Jackson’s „Give In To Me“ entliehen wurde. Mutwilligkeit will ich aber beileibe nicht unterstellen, nur einen unschönen Fauxpas – für den man aber umgehend durch einen einmal mehr faszinierenden Refrain entschädigt wird. – Nach dem weit schwerer verdaulichen „Light Of Day, Day Of Darkness“ (2001) gelingt Green Carnation mit dem vorliegenden Werk etwas wie ein Befreiungsschlag aus der traurigen Versunkenheit, der über eine ergreifende Zustandsbeschreibung hinaus Hoffnung und Trost in tiefen Zügen atmet.

08.07.2003
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