Eine standesgemäß schwere Geburt ist das vierte und angekündigt letzte GRABNEBELFÜRSTEN-Album „Pro-Depressiva“ geworden. Das ist mal gelebte Lethargie und Depression, wenn man acht Jahre für ein Album braucht. Das hat den Außenseitern des deutschen Black Metals Gelegenheit genug gegeben, Material zu destillieren und zu destillieren und zu destillieren, bis am Ende nur noch fünf Tracks und ein Intro übrig geblieben sind, die jetzt „Pro-Depressiva“ bilden. Das scheint etwas kurz, aber was soll’s.
Diese eine 15-jährie Bandgeschichte beschließenden 40 Minuten entschädigen die Begleiter und loyalen Fans dann aber auch anständig für die lange Wartezeit. Das auf das einleitende „Morgengrauen“ folgende „Mantelmann“ ist fast ein Befreiungsschlag und legt tüchtig schnell und mit einer Mischung aus straighten nordischen Riffs und den typischen schräg anmutenden Gitarrenfiguren los. Was Galionsfigur Sturm Deiner Winter aus seiner Kehle holt, ist noch immer einzigartig charismatisch, und zwar sowohl bezüglich der krankhaften Schreie, als auch was die eigenartigen cleanen Gesänge angeht.
Vergleichbar geht’s auch im Titeltrack weiter, der so überraschend windig mit langen Doublebass-Einsätzen und viel Groove daherkommt, dass man gelegentlich fast an alte SATYRICON denken muss. Dabei werden, auch im selbstreflektierenden „Fazit einer Ehe“, immer wieder geradlinige und fixe Parts von disharmonischen, rhythmischen unterbrochen, ganz so, wie man es von den GRABNEBELFÜRSTEN kennt.
Neu sind dabei neben der durchgehend vordergründigen und interessant gelungenen Bassarbeit die halbakustischen Verschnaufpausen und im ziemlich eingängigen „Die Rückkehr“ sehr passend eingesetzte Hammondorgeln und ausgedehnte Rockpassagen mit Soli, die dem Sound einen beschwingten Seitenhieb verpassen. Das macht „Pro-Depressiva“, auch durch seine angenehm naturbelassene, vergleichsweise räudige Produktion zu genau dem Album, mit dem die Band die Kurve noch bekommen hat und mit dem sie durchaus an ihre frühen Tage und sogar das Flair der Demos anschließen kann. Ein versöhnliches Ende, sozusagen. Das lässt einiges vermuten für die Zukunft der Musiker, die durch die Arbeit an diesem Album offenbar nicht nur eine Art der Befreiung, sondern auch wieder Lust am gemeinsamen Musikmachen gefunden haben: „3001 im Blick. Uns führt kein Weg zurück“, heißt es in „Fazit einer Ehe“. 3001 ist die Nachfolgeband in gleicher Besetzung.
So sehr die erste gute halbe Stunde in Anbindung an die Vergangenheit nach vorne schaut, so düster wird es dann im ausleitenden Ambient-/Klavierstück „Einsicht vs. Erkenntnis“, das das gesamte Schaffen der GRABNEBELFÜRSTEN geradezu zurechtrückt und relativiert, und das nicht einmal besonders gerechtfertigt. In den Worten Friedrich Nietzsches klingt das noch nihilistischer, als es der Titel „Pro-Depressiva“ selbst schon tut:
„Wohin ist Gott? Was haben wir gemacht? […] Wie brachten wir dies zustande, diese ewige, feste Linie wegzuwischen, auf die bisher alle Linien und Maße sich zurückbezogen? […] Noch sehen wir unseren Tod, unsere Asche nicht, und dies täuscht uns und macht uns glauben, dass wir selbst das Licht und das Leben sind. […] Wir Lebenden und Leuchtenden, wie steht es mit dieser unserer Leuchtkraft, verglichen mit der früherer Geschlechter? Ist es mehr als jenes aschgraue Licht, welches der Mond von der erleuchteten Erde erhält?“
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