Gràb - Kremess

Review

Uff, da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll. Vielleicht mit einem kurzen Rückblick. Vor vier Jahren war das GRÀB-Debüt “Zeitlang” eine kleine Sensation. Die neue Band von ex-DARK-FORTRESS-Sänger Azatoth aka. Grànt hatte es geschafft, das beste deutsche Black-Metal-Album in mehr als zehn Jahren zu veröffentlichen und an die besten Tage von LUNAR AURORA, NAGELFAR und Co. zu erinnern. Kurz darauf wurde Hauptsongwriter Gråin von seinen Pflichten entbunden und Grànt verpflichtete als Ersatz ausgerechnet einen der aktuell unbeliebtesten Black-Metal-Musiker überhaupt.

Dan Capp, oder Gnást, wie er sich bei GRÀB nennt, war lange Gitarrist bei WINTERFYLLETH (soweit grundsätzlich erst mal unproblematisch, nur ein bisschen langweilig) und ist inzwischen der soundsovielte Sänger bei den UK-Doomern SOLSTICE, weil er einer der wenigen ist, die es nicht komisch finden, dass deren Bandboss Rich Walker Bilder mit Hitlergrüßen auf seinem Insta-Account postet. Da ist es nicht mal schlimm, dass Capp eigentlich nicht singen kann, solange man sich gegenseitig den Bauch pinseln und rumschleimen kann, was für ein harter Typ man ist. Capp selbst ist in den letzten Jahren weniger durch herausragende Musik als durch besonders bemitleidenswerte “intellektuelle” Leistungen im Zusammenhang mit seinem Neofolk-Projekt WOLCENSMEN und vor allem seinem revisionistischen und revanchistischen (und wissenschaftlich hochgradig fragwürdigen) Podcast “The Fyrgen” aufgefallen – steile Pseudowissenschaft zum Thema Menschheits- und Siedlungsgeschichte sowie Corona gibt’s gratis, aber gern gegen Spende.

GRÀB und Dan Capp

Wir stellen diesen kurzen Abriss der Review voran, weil wir redaktionsintern stark über GRÀB diskutiert haben. In erster Linie ist es Azathoths Band und dieser ist in Interviews zwar durch latent naive Kommentare zur Weltpolitik und eine besonders pubertär anmutende Misanthropie aufgefallen, aber noch nie durch rechtsextreme Äußerungen in der Öffentlichkeit. “Kremess” ist ebenso wie sein Vorgänger ebenfalls frei von politischen Inhalten. Dennoch sollte sich eine derartige Veteranenfigur fragen, ob sie diese Kollaboration wirklich nötig hat – auch musikalisch, aber dazu später mehr – und bewusst sein, was man damit zusätzlich ausdrücken könnte. Vielleicht ist es ihm bewusst, vielleicht ist es ihm egal. Dass Prophecy Productions inzwischen mit strammrechten Verbindungen keine Probleme mehr haben (und gleichzeitig migrantisierte und intersexuelle Musikschaffende unter Vertrag haben), wissen wir ja seit dem Signing von SOLSTICE letzten Sommer inklusive Auftritt auf dem hauseigenen Festival.

Jaja, bla bla, es geht um die Musik. Diese Einleitung war trotzdem nötig, weil man am Beispiel von GRÀB gut sehen kann, wie eine grundsätzlich unpolitische und unproblematische Band genau wie ihr Label und damit langfristig die Subkultur an sich von Menschen mit einer offenkundig rechtsextremen Agenda unterwandert werden. Alles mit der Rechtfertigung, dass diese ja ach so unangepasst und abseits des Mainstreams seien. Ein Armutszeugnis für eine Subkultur, die in ihrem Selbstverständnis mal “subversiv” und “rebellisch” war.

“Kremess” musikalisch betrachtet

Stilistisch hat sich nicht viel geändert: Black Metal im mittleren Tempobereich mit bayerischen Texten, der mit atmosphärisch dichten, aber dezenten Synthies und dem traditionellen bayerischen Hackbrett garniert wird. Soweit ist das genau das, was wir uns nach “Zeitlang” sicher gewünscht haben. Dennoch können GRÀB nicht die Klasse des Vorgängers halten. War die stoisch-schreitende Ruhe eine der Stärken des Erstlings, weil man sich herrlich im Kopfkino voll dunkler Folklore aus den Tiefen der Wälder fallen lassen konnte, funktioniert das auf “Kremess” nur noch in Ansätzen.

Zwar erzeugen einzelne Songs wie “Kerkermoasta”, “Vom Gràb im Moos” oder “Deifeszeig” immer noch das gleiche Feeling – erstmals gibt es aber auch einige Standard-Riffs und Lückenfüller-Momente. Es sind nicht viele und sie sind nach wie vor kompetent vorgetragen. Dennoch klingt “Kremess” eher wie ein Album von einer Band, die mit großem Eifer versucht, wie GRÀB zu klingen und weniger wie die Band selbst – sieht man von Grànts charakteristischem Gesang ab.

Schaufeln GRÀB ihr Grab?

Soweit ist es vielleicht noch nicht gekommen. Aber direkt nach einem starken Debüt, welches innerhalb kürzester Zeit ein moderner Klassiker wurde, ist “Kremess” keine Katastrophe, aber eine lauwarme Enttäuschung. Noch immer können GRÀB eine einnehmende Atmosphäre erzeugen und sicher wird “Kremess” einigen Leuten gefallen – sofern sie es denn noch hören wollen, denn seit dem Beitritt Capps sind der Band schon enttäuschte Fans abhanden gekommen. Aber dass das alles ein gutes Stück besser geht, haben sie schon selbst vorgemacht.

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14.02.2025

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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9 Kommentare zu Gràb - Kremess

  1. ultra.silvam sagt:

    Vielen Dank für die Einleitung. Ich finde es sehr toll, dass hier reflektiert an solche Bands/Alben herangegangen wird und sie kritisch betrachtet werden. Wenn sich ein Musiker so offen politisiert kann und darf dessen Musik nicht banal mit dem Pseudoargument „Musik ist unpolitisch“ abgehandelt werden.

    Zur Musik selbst. Man merkt Capps Einfluss, hin zum durchschnittlichen, fast schon langweiligen Black Metal. Von der Homage an Lunar Aurora bleibt nur noch Benjamin Königs Artwork, welcher auch schon weitaus besseres gemalt hat. Alles in allem ein Album und Band die ich mittlerweile auch musikalisch getrost ignorieren kann. Etwas schade, aber so geht jeder seinen Weg.

    5/10
  2. Se Wissard sagt:

    Danke ultra.silvam, da gehe ich absolut mit!

  3. Hansi sagt:

    Danke an den Rezensenten und ein dickes fettes 𝐖𝐎𝐑𝐃! für ultra.silvam.

  4. nili68 sagt:

    Thoughts and prayers

  5. metal-maniac sagt:

    Jo, kann ich ebenfalls zustimmen. Sicherlich kein schlechtes Album aber gerade gemessen am großartigen Vorgänger ziemlich durchschnittlich. Zum Rest wurde auch alles gesagt.

    6/10
  6. Fuchse sagt:

    Mir gefällt das Album ganz gut. Habe es im Gegensatz zu den anderen hier auch (komplett) angehört.

    Mehr Hass.

    8/10
  7. metal-maniac sagt:

    „ Habe es im Gegensatz zu den anderen hier auch (komplett) angehört.“

    Einen Hellseher hatten wir hier schon länger nicht mehr.

    Mehr Dummheit.

  8. azl sagt:

    Preorder mit verfrühter Auslieferung? Leaks? Ist das dein erster Tag im Internet?

  9. dan360 sagt:

    Sehr geiles Teil! Gefällt mir nach paar Durchgängen mindestens genauso gut wie der Vorgänger.

    9/10