Gotthard - Need To Believe
Review
Die Zeiten, in denen die Schweizer Megaseller von GOTTHARD mit ihren kernigen, rifflastigen Hardrock-Sounds die härtere Fraktion ansprachen und mit Gitarrengewalt und Gesang die Grenze zum Power Metal mehr als nur einmal streiften, sind schon lange vorbei und werden wohl auch nie wieder kommen. Spätestens seit dem Akustik-Ausflug „D-Frosted“ spricht man, wie Sänger Steve Lee im Interview mit metal.de auch überraschend einsichtig zu Protokoll gibt, ein anderes Publikum an. Und man hat seine Stärke in einer anderen Art des Songwritings gefunden: GOTTHARD schreiben und spielen in erster Linie eingängige Rock-Nummern, vermeiden es dabei konsequent, dem Mainstream-Publikum zu viel Härte zuzumuten und verlassen sich eher auf ihr Melodiegefühl – und so waren die letzten Scheiben zwar wieder bissiger, richtige Ausbrüche in aggressive Gefilde blieben unabhängig von der kompositorischen Klasse aber eher die Ausnahme.
Das ist auch mit dem neuen Album „Need To Believe“ nicht anders. Einen Vorwurf kann man den Eidgenossen deshalb allerdings nicht machen, im Gegenteil, man muss ihnen zugestehen, dass ihr Rezept aufgeht, dass sie mit ihrem mittlerweile unverkennbaren Sound schon lange zu den Großen gehören – und zu den wenigen, die qualitativ auch nach all den Jahren noch überzeugen können, mit Musik die eigentlich nie wirklich angesagt war, aber immer ihre Anhänger fand. „Need To Believe“ kommt dabei mit dem höchsten Maß an Variantenreichtum daher, den man von der Band erwarten darf. Der Opener „Shangri-La“ ist überraschend zurückhaltend und überzeugt durch Frühneunziger-DEF-LEPPARD-artige Melodiebögen, die besonders dem Chorus schon eine leicht orientalische Note verleihen. „Unspoken Words“ zieht das Tempo ein wenig an, „Need To Believe“ ist die typische, halb-balladeske Hitsingle, die in ihrer Machart an „The Call“ vom Vorgänger oder „Anytime Anywhere“ von „Lipservice“ erinnert. Die beiden Alben kann man auch grob als stilistischen Vergleich anführen, GOTTHARD erlauben es sich diesmal jedoch, ihre Hardrock-Wurzeln stärker als zuletzt ins Gedächtnis der Hörerschaft zurückzurufen und haben mit dem groovigen „I Don’t Mind“ („Dial Hard“ lässt grüßen) und dem energiegeladenen „Rebel Soul“ auch ein paar der von Vielen erhofften Heavy-Songs am Start.
Anteil am etwas offeneren Sound der Band hat sicher auch Produzent Rich Chicky (u.a. AEROSMITH), der Bass und Gitarren in einem angemessenen, nicht mehr so zurückhaltenden Verhältnis gemischt hat. „Don’t Let Me Down“ und „Tears To Cry“ bilden das obligatorische Balladenprogramm, bei dem das Kitsch-o-Meter sich zwar stellenweise verdächtig im roten Bereich bewegt, das aber erneut unterstreicht, dass GOTTHARD ihre Breitwand-Balladen so überzeugend komponieren, wie kaum eine andere Band es heute tut. „I Know You Know“ glänzt sogar ein wenig mit aufwendig arrangierter Epik, das ruhige Intro, die Steigerung, der harte Refrain und der Schluss, der das Thema vom Anfang wieder aufgreift, lassen Assoziationen zu IRON MAIDEN aufkommen.
„Unconditional Faith“ badet wieder ein wenig im „Open/Homerun-Unplugged“-Konzept, dass ausgerechnet die Regisseur-Flachpfeife Uwe Böll die Nummer für einen seiner Filmversuche ausgewählt hat, ändert nichts an der grundsätzlich soliden Umsetzung. Einzig das durch das Zusammenwerfen zweier Songideen arg zerrüttet wirkende „Break Away“ kann nicht wirklich überzeugen.
Erfreulich ist auf jeden Fall, dass GOTTHARD wieder ein wenig Gas geben, sich um ein breites Spektrum bemühen und erneut mit ihrem bewährten Hitkonzept die (große) Zielgruppe bedienen. Nachteil dieser Herangehensweise dürfte sein, dass es kaum möglich ist, wirklich jeden Song von „Need To Believe“ ins Herz zu schließen, da die Nummern auf unterschiedliche Geschmäcker ausgerichtet sind. Der Erfolg indes wird auch bei der neuen Scheibe nicht ausbleiben – und in der Gesamtbetrachtung vermag die Qualität dies auch zu rechtfertigen. „Need To Believe“ macht Spaß und unterhält gut – und darauf kommt es letztendlich ja an.