Gorgoroth - Black Mass Krakow 2004

Review

Eines muss man Metal Mind Productions lassen: sie haben das Feingefühl von King Kong und den finanziellen Riecher von Bill Gates, wenn es um den Releasezeitpunkt dieser Live-DVD geht. Nicht nur, dass der von Skandälchen umwitterte Gig von GORGOROTH in Krakau bereits viereinhalb Jahre her ist – in der aktuellen Situation der kindischen Schmierenkomödie um den Bandnamen GORGOROTH wird keine der beiden Parteien, weder Gaahl/King noch Infernus, über diese Veröffentlichung besonders glücklich sein. Dafür ist der Name beider Bands derzeit in aller Munde und verspricht angenehme Verkaufszahlen. Da geraten sogar Geldstrafen, Inhaftierungen oder Konfiszierungen der Aufnahmen in den Hintergrund.

Wer allerdings ein richtig gutes Konzert im vollen Line-Up, dazu mit Apollyon an der zweiten Gitarre, sehen will, dem soll das – in Herrgottsnamen! – egal sein. Zu sehen gibt es 55 Minuten GORGOROTH in Bestform, zudem mit einer der kitschigsten Bühnendekos aller Zeiten: drei Dutzend aufgespießte Schafsköpfe, Stacheldraht am Bühnenrand, blutrotes Licht, und dazu vier riesige Holzkreuze, an denen tatsächlich lebendige Menschen mit Säcken über den Köpfen (!) hängen. Das kommt der landläufigen (und päpstlichen) Vorstellung einer rituellen schwarzen Messe schon ziemlich nahe, auch wenn ich mir ob dieser erbarmungslosen Klischeereiterei ein Schmunzeln nicht verkneifen kann.

Ich genieße stattdessen lieber die Musik. Da gibt es nach zwei Stücken von „Twilight Of The Idols“, „Procreating Satan“ und „Forces Of Satan Storms“, einen Klassiker der „Antichrist“-Ära zu hören: „Possessed (by Satan, natürlich)“. Dieses Stück, vielleicht ein Vorläufer der Black-Thrash-Bewegung späterer Jahre und deutlich von AURA NOIR-Parallelen geprägt, in einem homogenen Livesound zu hören ist eine wahre Wonne. Tatsächlich können nur wenige Bands von sich behaupten, „true norwegian black metal“ zu spielen – aber als Urheber dieses Stückes gehören GORGOROTH definitiv dazu. Gleiches gilt für das nahtlos hinterhergeballerte „Bergtrollets Hevn“, ebenfalls von „Antichrist“, das tatsächlich mit Satan nichts zu tun hat, aber trotzdem ziemlich geil klingt.

Im Laufe der restlichen 40 Minuten Spielzeit holzen sich die Norweger durch ihre gesamte Karriere, elitär unbeeindruckt von Applaus, Sprechchören und sonstigen Konventionen. Zu hören sind von „Under The Sign Of Hell“ als Schwerpunkt des Konzertes die Songs „The Rite Of Infernal Invocation“, „Odeleggelse Og Undergang“, „Blood Stains The Circle“, das melodiös-thrashige „Revelation Of Doom“ und das urnorwegische „Profetens Aapenbaring“. Dazu von „Twilight Of The Idols“ das als einziges Stück etwas abfallende „Of Ice And Movement…“, den Titeltrack von „Destroyer“ sowie von „Incipit Satan“ die zwei Songs „Unchain My Heart!!!“ und das stilecht schließende Titelstück. Dann gibt’s kurze Pyro, die Band geht von der Bühne, ohne Dank, Gruß oder Zugabe. So muss Black Metal sein.

Technisch ist „Black Mass Kraków 2004“ sicher keine Offenbarung, aber ein in wirklich guter Qualität gefilmter Mitschnitt eines Konzertes, das eigentlich so legendär gar nicht wirkt. Die Band macht im Grunde nichts, als ohne großartige Bewegungen (Paradebeispiel hier: Gaahl, 55 Minuten völlige Apathie) dreizehn Songs zu spielen, und das vor einer gut gebauten Kulisse, die den Fans (und Kritikern) alles gibt, was man sich wünschen kann. Der Sound ist sehr transparent und ausgewogen, lässt aber ein wenig den Biss in den Gitarren vermissen und wirkt allgemein eher handzahm als blackmetallisch. Dafür bluten einem nach dem Genuss der DVD nicht die Ohren, was auch ein Vorteil ist.
Das Bonusmaterial ist nett gemeint, aber weitestgehend sinnbefreit: zwei Songs vom 2000er-With-Full-Force-Auftritt, mitgeschnitten mit einer Handkamera in entsprechender Bild- und Tonqualität. Discographie, Biographie, Desktop-Bildchen, Fotos und dergleichen sind nichts, das meines Wissens nach irgendjemand je ernsthaft genutzt hätte. Weh tut es allerdings auch nicht, wenn man sich kurz über die Alben informieren kann, die die Band live interpretiert.

„Black Mass Kraków 2004“ bietet also GORGOROTH für einen kurzen, gepflegten gemütlichen Fernsehabend vor der 5.1-Anlage, bei dem hinterher noch genügend Zeit bleibt, die ein oder andere Fledermaus zu fangen und ihr den Kopf abzubeißen. Das ist fast so schön wie das aktuelle Namensrecht-Popcorn-Kino und wirkt zudem ein bisschen erwachsener.

15.06.2008

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