Godspeed You! Black Emperor - Luciferian Towers

Review

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Review von Alexander Santel

GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR – die Band, die quasi alles mitdefiniert hat, was mit „Post“ anfängt und trotzdem immer eigen und irgendwie im Untergrund geblieben ist. Die zeitweise 15 Mitglieder hatte. Die 2003 nach dem Touren eine unbestimmt lange Pause einlegte, um dann 2012 wieder aufzutauchen. Die Band, bei der unkonventionell normal ist. Die Band, die eigentlich keine Interviews gibt und die wenig für die heutige Musikindustrie übrig hat. Eine polarisierende Band, die man scheinbar nur lieben oder hassen kann.

 „Luciferian Towers“ von GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR

Der Opener „Undoing A Luciferian Towers“ wirkt wie ein überlanges Intro: mit verzerrten Gitarren, die mehr wie ein Noise-Effekt und weniger wie ein Saiteninstrument genutzt werden; im Hintergrund sind Synthesizer zu vernehmen. Der Song baut sich langsam auf, bald darauf setzt das Schlagzeug ein, später kommen Blasinstrumente hinzu … klingt ein wenig wie ein Western-Soundtrack, der auf Drogen geschrieben wurde. Die folgenden Songs beziehungsweise Movements kann man besser zusammenfassend beschreiben, da sie sich im Aufbau teilweise sehr ähneln.
„Bosses Hang Pt. I“ beginnt ähnlich wie der Opener von „Luciferian Towers“: mit einer verzerrten und einer cleanen Gitarre, dann kommen wieder Bläser (Trompete) und Schlagzeug hinzu. Zum ersten Mal ist so etwas wie eine verträumte Melodie auszumachen. Der Song baut sich auf, liefert ein kleines Finale und schwillt wieder ab, die unterstützenden Instrumente verschwinden.

Zu Beginn von „Bosses Hang Pt. II“ ist nur noch die Gitarre auszumachen – mit einer hypnotischen, monotonen Melodiefolge. Wieder kommen langsam zusätzliche Instrumente hinzu, diesmal unter anderem Streicher. Das steigert sich alles zu einem wirren Reigen, der dieses schwebende Gefühl aber beibehalten kann, welches durch „Bosses Hang Pt. III“ hindurch weiter ansteigt. Im letzten Teil können sich die Melodiebögen der Streicher dann vollständig in einem Crescendo entladen. Die Gitarre agiert hier lediglich als unterstützendes Instrument, beinahe als Rhythmusgeber, im Hintergrund. Das ist der erste wirklich packende Augenblick, bei dem das vorausgehende Anschwellen und Abklingen in der Musik, das „Anteasern“, letzten Endes belohnt wird.

Intros oder Songs, Rock oder Art-House-Mucke?

„Fam_Famine“ wird von Streichern eröffnet, bevor sich wieder die anderen Instrumente hinzugesellen. Gitarre und Rest bleiben auf einer Wellenlänge im Äther und schweben ohne klares Ziel oder ohne klare Songstruktur vor sich hin. Das Abschluss-Tripel „Anthem For No State Pt. I – III“ beginnt im ersten Movement wieder ruhig und nimmt nur langsam Fahrt auf. Im dritten Movement werden Tempo und Lautstärke angezogen, man erwacht wieder aus der Trance und schwebt in eine kleine Kakophonie. Es folgen feine Melodien, die in ein würdiges Finale münden. Hier haben GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR einen denkwürdigen Abschluss kreiert, der mit manchen Motiven auch den Anfang von „Luciferian Towers“ wieder in Erinnerung ruft und so einen guten Zirkelschluss bildet.

Kein Easy-Listening, keine Hits!

Ja, diese Soundcollagen und -experimente klingen nicht wie ein gutes, altes Rock-Album, sondern vielmehr wie der Soundtrack irgendeines Art-House-Films. Easy-Listening? Hits? Was zum Mitwippen? Nicht hier. Dafür Atmosphäre und Klang zum Entdecken und Sich-drin-Verlieren. Leuten mit geringer Aufmerksamkeitsspanne, für die Musik eingängig und schmissig sein muss, werden hier nicht glücklich. Für manche wird es hin und wieder auch schwer sein, der Musik konstant zu folgen, ohne mindestens den Hauch von Langatmigkeit zu spüren. In richtiger Stimmung und Umgebung sowie mit einer allgemein offenen Einstellung kann „Luciferian Towers“ gar meditative Wirkung entfalten und beim Hören durchaus viel entdeckt werden.

11.10.2017

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