Ghosts Of Atlantis - 3.6.2.4

Review

Soundcheck Dezember 2021# 7 Galerie mit 15 Bildern: Ghost Of Atlantis - DisrupTour 2023 in Köln

Der Mythos von Atlantis beschäftigt die Gemüter praktisch seit der Antike, mindestens seit den Lebzeiten Platons, in dessen Schriften die Erwähnung Atlantis‘ erstmals nachgewiesen worden ist. Man ist sich ja bis heute nicht einig, ob es dieses Reich je gegeben hat. Aber das hält Künstler wie die hier zu besprechenden GHOSTS OF ATLANTIS nicht davon ab, auf ihrem Debüt „3.6.2.4“ darauf Bezug zu nehmen. Nun, zumindest scheinen sie den antiken Mythos dahinter zu thematisieren. Denn wenn man den Albumtitel als Koordinaten interpretiert und in Maps eingibt, landet man etwa 100 km südlich von der nigerianischen Küste, sprich: nicht ganz dort, wo Atlantis gemeinhin hypothetisch vermutet wird. Vermutlich steckt aber auch eine andere Bedeutung hinter dieser Zahlenfolge.

Einmal mit Spaß in der Buxe im Ozean versinken, bitte!

Musikalisch sieht die Sache da schon etwas eindeutiger aus. Einen Hinweis darauf, was einen auf „3.6.2.4“ erwartet, liefert der aus dem DEVILMENT-Umfeld stammende Gitarrist Colin Parks, der auch die klaren Gesangspassagen beisteuert. GHOSTS OF ATLANTIS sind musikalisch davon nicht zu weit entfernt und spielen eine mit symphonischen Arrangements verstärkte Mixtur aus Dark und Melodic Death Metal. Dass Bands wie kürzlich EXANIMIS und die Symphonic-Death-Platzhirsche FLESHGOD APOCALYPSE mit ihren jeweilig vergangenen Veröffentlichungen die Messlatte in Sachen anspruchsvoller Orchestral-Arrangements ziemlich weit hoch gehängt haben, kümmert die hier gegenständlichen Briten gar nicht mal so sehr, die es ohnehin weniger brutal angehen lassen.

Denn der gesamte Sound der Herrschaften aus Ipswich ist mehr auf Eingängigkeit ausgerichtet, wodurch „3.6.2.4“ eine angenehme Cheesiness verpasst bekommt. Die Arrangements sind gerade ausgefeilt und aufdringlich genug, um die großen Melodiebögen entweder mit ausreichend Pomp zu unterfüttern wie in „False Propeht“ oder unterschwellig unter die Haut krabbeln zu lassen wie in „Gardens Of Athena“. Aber sie versuchen nie mehr zu sein, als sie sind, was den Sound wiederum sympathisch macht. Das hat fast etwas Naives an sich, was angesichts oben genannter Perfektionisten schon wieder erfrischend altmodisch anmutet. Dennoch sind die Arrangements stets gekonnt in den Sound eingebunden, sodass nie der Eindruck eines billigen Gimmicks einstellt.

OCEANS OF ATLANTIS fühlen sich im modernen Melodeath pudelwohl

Und dann ist da die metallische Komponente, die den höheren Anteil an Fleisch auf den Rippen von „3.6.2.4“ ausmacht. Vielleicht erinnert sich jemand an die französischen Death Metaller DESTINITY. Die haben einen ziemlich straffen, modernen Death Metal gespielt, der großen Wert auf kantige Midtempo-Grooves gelegt hat. In ungefähr die gleiche Richtung gehen auch GHOSTS OF ATLANTIS, sprich: Meist im wenn auch flotteren Midtempo unterwegs mit thrashig tighten Gitarren. Dazu kommen halt hier nun mehr klare Gesangsanteile und eben diese symphonische Komponente, die als Nebeneffekt auch diese gewisse Dark-Metal-Würze im Sound hinterlässt. Der Härtegrad bewegt sich dabei Melodeath-typisch im Mittelfeld. Nicht weichgespült, aber auch nicht überbordend brutal.

Die voluminösen Shouts von Phil Primmer tragen ordentlich Hardcore-Bravado inne, was hervorragend zu dieser modernisierten Variante des Death Metal passt. Sie sind aber immer noch tief und guttural genug, um die Kiste felsenfest im Death Metal zu verankern. Sekundiert wird Primmer durch Parks‘ hymnischen Klargesang. Dieser klingt so ein bisschen wie eine Fusion aus FLESHGOD APOCALYPSE-Cleans mit dem Hook-Charakter mittelspäter SOILWORK. Besonders „Halls Of Lemuria“ liefert hinsichtlich dessen einen richtig schönen Refrain mit Ohrwurmpotential. Seltener ereignen sich Spoken-Word-Passagen, wie zu Beginn von „When Tridents Fail“. Doch auch diese finden unprätentiösen Einsatz, tragen sogar mit ihrer dramatischen Art etwas Cheese zur Chose bei.

Dennoch bereichern „3.6.4.2“ ansprechende Symphonic-Arrangements

Und viel mehr brauchen die Ipswicher auch gar nicht, um durchweg zu gefallen. GHOSTS OF ATLANTIS bestechen durch ihre Bodenständigkeit und machen sich diese zu ihrer Stärke dank gut in Szene gesetzter aber dennoch stets eingängiger und nie ausufernder Songs. Das ist nicht die Art Musik, die durch irgendwelche technischen Höchstleistungen Kinnladen herunterklappen lässt. Es ist neuzeitlicher Melodeath, wie man ihn kennt und üblicherweise verschmäht, aber eben dank der symphonischen Würze und Groove-betonten Spielweise relativ frisch aufbereitet und lecker angerichtet. Und mit prägnanten Songs, die immer zügig auf den Punkt kommen, bleibt auch kaum Zeit, um selbige mit unnötigem Gedudel zu vergeuden.

Ob „3.6.2.4“ mit seiner Beschaffenheit groß neue Akzente setzt, sei mal dahingestellt. Dafür liegt die Kombi aus Melodeath und Symphonic Metal vermutlich etwas zu sehr auf der Hand. Aber GHOSTS OF ATLANTIS spielen sich mit Abgebrühtheit und Selbstverständlichkeit durch ihre Songs, sodass jeder Durchlauf aufs Neue Spaß macht. Und es sitzt einfach auch jeder Kniff an der richtigen Stelle, sodass sich praktisch kein Durchhänger auf der Platte findet. Wenn die Briten also schon nichts neu machen, machen sie doch zumindest alles richtig.

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20.03.2021

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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